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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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war ihres Anfangs Plan.
    Des Raubes Preis werden deine Räuber, verbannt deine Verderber.
    Dein Gott wird sich deiner freuen,
    Wie sich der Bräutigam erfreut der Braut.
    Brech auf, mein Freund, der Braut entgegen,
    Laß uns der Ruhe freundlich Angesicht empfangen.«
    Eine Eigenart dieser Hymne auf die »Braut Sabbat« war Cullinane jedoch noch nicht klar. Zu Anfang seines Aufenthalts in Israel war er selten zweimal in die gleiche Synagoge gegangen, denn er wollte die ganze Skala jüdischen Brauchs durchkosten, und genauso wie Protestanten annehmen, daß es nur eine einzige Katholische Kirche gibt und dabei die Fülle der Unterschiedlichkeiten besonders im Orient, der Geburtsstätte des Christentums, vergessen, so hatte er als Katholik vermutet, daß es nur eine einzige Form des jüdischen Kults gab. In Israel aber, wo auch dieser Glaube geboren worden war, hatte er Gelegenheit festzustellen, wie viele Unterschiede es auch dabei gab. So wurde in sechs verschiedenen Synagogen die Hymne auf die »Braut Sabbat« auf sechs vollkommen entgegengesetzte Arten gesungen: wie ein deutscher Marsch, wie ein Geheul in der Wüste, wie eine polnische Totenklage, wie ein russisches Jauchzen, in einer modern abgehackten Melodie und wie ein alter orientalischer Singsang. Cullinane hatte dabei herausgefunden, daß ein Teil seines Vergnügens am Sabbatgottesdienst darin bestand, zu raten, welche Melodie wohl beim Hauptgesang angestimmt wurde. Er befragte Eliav darüber. Der lange Gelehrte legte seine Pfeife nieder und meinte: »Man sagt bei uns, daß es für das >Lecha Dodi< - das >Brech auf. ..< - mehr verschiedene Melodien gibt als für jedes andere Lied der Welt. Ich glaube, man könnte ein ganzes Jahr lang am Sabbat in die Synagogen gehen und jedesmal eine neue Melodie hören. Jeder Kantor hat seine eigene Version, und das ist auch ganz richtig so, denn es handelt sich hier um einen ganz persönlichen Ausdruck der Freude.«
    »Dann stände es mir frei, meine eigene Fassung zu singen?« fragte Cullinane. »Mit deutlicher Betonung des irischen Schwungs?«
    »Ich bin überzeugt, daß die Juden aus Irland auch ihr eigenes >Lecha Dodi< haben«, antwortete Eliav mit feinem Lächeln.
    Nur eines war enttäuschend für Cullinane: daß er keinen seiner Mitarbeiter dazu bewegen konnte, mit ihm zum Gottesdienst in die Synagoge zu gehen. Eliav weigerte sich; Vered entschuldigte sich: »Wie ich schon gesagt habe, ist die Synagoge für Männer«; Tabari meinte: »Wenn ich eine Synagoge hier im arabischen Gewand betrete, mich gen Mekka verbeuge und rufe: >Allah ist Allah, und Mohammed ist sein Prophet<, dann dürfte das ja doch wohl zwangsläufig einigen Unwillen erregen. Also geh du man!« Und natürlich ging auch niemand vom Kibbuz Makor je zum Gottesdienst - die Kibbuzniks dort hatten ja den Bau einer Synagoge auf ihrem Gelände ausdrücklich abgelehnt. So war Cullinane gezwungen, allein zu gehen.
    Gegen Ende der ersten Grabungssaison hatte er immerhin etwa zwei Dutzend Synagogen besucht. Drei von diesen mehr als zwanzig verkörperten für ihn den eigentlichen Geist des Judentums, und deshalb ging er immer wieder gerade in diese. Auf dem Kamm des Karmelgebirges stand ein häßliches, verrostetes Gebäude aus Eisen. Der Kantor, der es betreute, war ein kleiner, peinlich sauberer Mann mit einem ansehnlichen Silberbart; er konnte singen wie ein Opernheld. Besonders schön war der Gottesdienst hier, wenn der Kantor einen Chor von sieben kleinen Jungen mitbrachte, alle mit Schläfenlocken, die im hellsten Sopran das »Lecha Dodi« sangen, begleitet vom Kantor mit seinem Bariton. Wenn dann durch das Wadi eine kühle Brise vom Meer herauf wehte, war es Cullinane, als sei Gott Selbst gegenwärtig. Ob nun der Ire diese Synagoge aus dem Empfinden heraus besuchte, daß der armselige Bau ihm den eigentlichen alten Judenglauben vermittelte, oder ob er wegen des Gesanges kam, hätte er selbst nicht recht sagen können.
    Gern kehrte er auch in die winzige Synagoge von Zefat zurück, die er mit Paul Zodman besucht hatte, in jenen unordentlichen, lärmerfüllten Raum, wo der Rebbe von Wodsch in der Ecke kauerte und sein Häuflein russischer Juden mit ihren Pelzkappen in der gleichsam undisziplinierten Art von einst beteten. Dort hatte man wirklich - wie Cullinane einmal gesagt hatte - den Eindruck, als spielten »siebzehn Orchester ohne jeden Dirigenten«, aber es war doch ein herzbewegendes, unvergeßliches Erlebnis der Nähe Gottes. Wenn die Chassidim in

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