Die Quelle
Restaurant am Meer und betranken sich mit Arrak.
Der erste, mit dem der Presbyter Eusebios offiziell sprach, war der Befehlshaber der Garnison des Byzantinischen Reichs in Makor. Unter die Gerichtsbarkeit dieses Offiziers stellte der Priester seine Bauarbeiter. Denn es sollte in Makor eine enge Beziehung zwischen Heer und Kirche bestehen, als Ausdruck des Verhältnisses von Thron und Altar, und Eusebios wollte, daß es in dieser Hinsicht von vornherein korrekt zuging. Dann begab er sich zu der bereits bestehenden christlichen Kirche, einem kümmerlichen Bau im Osten der Stadt, und begrüßte mit weltmännischer Herablassung den dort amtierenden ungebildeten syrischen Priester - Vertraulichkeit mit diesem Schismatiker wünschte er keineswegs. Und da er wußte, daß ein großer Teil der Bevölkerung von Makor jüdischen Glaubens war, suchte er bedachtsam den Weg durch die engen Straßen zur Weizenmühle, wo er sein schwarzes Seidengewand raffte und mit Erstaunen sah, wie Rabbi Ascher, weißbärtig und mit bloßen Armen, über Säcken voller Grütze schwitzte.
Der hochgewachsene Spanier nickte huldvoll, deutete ein halbes Lächeln an und sagte: »Ich höre, daß Ihr ein Gelehrter seid und bei Eurem Volk in hoher Achtung steht.«
Rabbi Ascher wischte sich über die Stirn und suchte nach einem Stuhl für den Besucher; aber die Mühle war unaufgeräumt, und er konnte nichts Passendes entdecken. Das strenge Gesicht des Spaniers entspannte sich. »Auf dem Schiff habe ich tagelang sitzen müssen.«
»Hol einen Stuhl aus der Synagoge«, befahl Ascher seinem Vorarbeiter. Und da sah der eben nach Makor Gekommene Menachem zum zweitenmal. »Euer Sohn?« fragte er, als der junge Mann fort war.
»Ich wollte, er wäre es«, antwortete Ascher. Unwillkürlich war ihm dieser Spanier sympathisch.
»Wie Ihr wißt«, begann der Priester Eusebios, »bin ich gekommen, eine Basilika zu bauen.« Er stockte. »Eine große Basilika.«
Das Gefühl der Zuneigung, das Rabbi Ascher empfunden hatte, erlosch. Was braucht er zu sagen: eine große Kirche? dachte er. Eusebios aber redete weiter, versicherte dem Rabbi, er hoffe, keine Zwietracht aufkommen zu lassen; ihm liege daran, der Stadt zu Wohlstand zu verhelfen. »Wir werden rasch bauen«, erklärte er, »und nicht mehr Soldaten herholen, als bereits hier sind.« Er hielt inne. »Ich vertraue darauf, daß Ihr Euren Juden bedeuten werdet.« Der Satz blieb unvollendet. Gnädig nickend empfahl sich Eusebios, als Menachem mit dem Stuhl angerannt kam. »Wir wollen uns das für einen anderen Tag vorbehalten«, sagte er verbindlich, als er sich aufmachte, die Stadt zu besichtigen, in der er nun für einige Jahre zu wirken hatte.
Das Makor, in dem Eusebios seine Basilika errichten wollte, sah wesentlich anders aus als zu der Zeit des Königs Herodes, in der es ein schönes Städtchen gewesen war; beinahe nichts von dem, was der peinlich genau beobachtende Spanier sah, hätte ihm eine Vorstellung von dem einstigen hellenistischen Glanz vermitteln können. Die Mauern lagen in Trümmern, so daß der Ort schon äußerlich der Einheit entbehrte, denn an den steilen Hängen klebten nun Häuser, von Holzbalken abgestützt
- man hatte den Eindruck, als habe da ein Dorf Wäsche aus Holz zum Trocknen aufgehängt. Das schöne Forum war zerstört, kein Tempel stand mehr, nicht einmal eine Tempelmauer. Der Palast des Statthalters war seit langem abgerissen und als Baumaterial verwendet worden; da und dort in der Stadt konnte man ein Postament entdecken, auf dem einmal die Statue eines Kaisers gestanden hatte - jetzt bildete es den Teil einer Küchenwand. Das Gymnasion gab es nicht mehr: Wo war das Standbild des Antiochos Epiphanes in der
Pose eines nackten Diskuswerfers geblieben, wo die Statue des Hermes? Selbst das, was für Makor so kennzeichnend gewesen war, hatte nicht überdauert: die Quelle und der Davidsstollen. Sein tiefer Schacht war beinahe aufgefüllt, denn in den letzten dreihundert Jahren hatte er als Schuttabladestelle gedient. Die Frauen der Stadt stiegen nun eine steile hölzerne Treppe ins Wadi hinab, wo ein neuer Brunnen ausgehoben worden war. Und von der Quelle, nach der die Stadt ihren Namen hatte, wußte kein Mensch mehr etwas.
Der von der Pracht Roms und Konstantinopels verwöhnte Eusebios entdeckte dann aber ein Gebäude, das ihn durch einen gewissen bäuerlichen Charme fesselte: Es war die Synagoge, nahe dem Stadtkern gelegen. Der Priester blieb vor ihrer Südseite stehen, um die
Weitere Kostenlose Bücher