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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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diesem alten Mann gekommen, der sich so um mich gesorgt hat und doch auch so hart gegen mich gewesen ist. »Glaubst du, der Heilige, gelobt sei Er!, hat uns das Gesetz mit der Absicht gegeben, daß es leicht zu befolgen ist?« Die Öllämpchen flackerten in der Stille der Nacht, als Rabbi Ascher mit diesen Worten die ewige Frage aussprach, die sich den Juden immer und immer wieder neu stellte: Will Gott denn, daß das Leben leicht sei? Will Er, daß es mühelos sei, Sein Gesetz zu befolgen? Und Menachem, im Alter von fünfundzwanzig Jahren gezwungen, selbst nach der Wahrheit zu suchen, warf dem Rabbi entgegen, was die zeitlose Antwort der Christen werden sollte: »Gott will, daß allen Erlösung werde, selbst mir. Er hat Jesus Christus gesandt, damit Er für mich sterbe. mich, ein Hurenkind. um mir zu verkünden, daß der Bund des unerbittlich harten alten Gesetzes zu Ende ist. daß jetzt Gnade waltet.«
    Diese mit so einfachen Worten dargelegte Vorstellung verschlug dem Rabbi den Atem. Welch bittere Worte über das, was ihm das Gesetz bedeutete! So schwieg er eine Weile, bis er wieder sprach, nicht als Gesetzeslehrer, sondern als der schlichte Gottesmann: »Menachem, nach deiner Geburt war niemand da, der sich um dich kümmerte. Ich bin es gewesen, der dir das Leben gerettet hat. Weil ich dich liebte. weil der Heilige, gelobt sei Er!, dich liebte. Wie kannst du nun aufhören wollen, Jude zu sein?«
    »Bei meiner Geburt habe ich aufgehört, Jude zu sein, denn Euer Gesetz wollte mir nicht zubilligen, daß ich Gott lieben dürfe.«
    »Du kannst nicht dem Gesetz des Allmächtigen zuwiderhandeln und Ihn dann lieben wollen.«
    »Christus zeigt uns den Weg«, sagte Menachem und kehrte dem alten Rabbi den Rücken. Nie wieder hat er ein Wort mit ihm gesprochen.
    Die in aller Öffentlichkeit zu vollziehende Taufe Jochanans und seines Sohnes bot dem Priester Eusebios zum erstenmal Gelegenheit, dem Volk von Makor zu zeigen, wie seine Kirche ein Fest beging. Am Freitagmorgen wurde über der Stelle, an der man einst El und El-Schaddai und Antiochos Epiphanes verehrt hatte, ein Baldachin errichtet. Angetan mit Gewändern aus purpurroter Seide stand dort hoch aufgerichtet der Spanier, um die jüdischen Täuflinge zu empfangen. Ein Chor sang byzantinische Kirchenlieder. Rabbi Ascher aber mußte erfahren, wie bitter hart das Schicksal sein kann, das der Allmächtige einem Menschen auferlegt. Einige fromme Juden waren zu ihm gekommen, um ihm auseinanderzusetzen, wie sie die Taufe der Abtrünnigen stören, wenn nicht verhindern wollten. Er aber hatte ihnen dringend abgeraten. Als jetzt die Hitzköpfe sahen, wie die beiden Juden tatsächlich vortraten, um sich zu dem neuen Glauben zu bekennen, wurden sie zornig. Lautes Murren war ringsum zu hören. Da tauchten plötzlich, wie aus dem Nichts, byzantinische Söldner auf, die Eusebios vorsorglich bereitgestellt hatte, und brachten lautlos die Ruhestörer zum Verstummen. Als Rabbi Ascher nach vorn ging, um zu vermitteln, packten ihn zwei eigens zu seiner
    Überwachung befohlene Byzantiner, als sei er ein Sack Grütze, und schleppten ihn in die hintersten Reihen zurück.
    »Ruhe, alter Bock, sonst.« Sie drückten die Spitzen ihrer Speere gegen seinen Leib. Der Rabbi wollte aufbegehren, aber eine grobe Hand fuhr ihm über den Mund, und der Söldner knurrte: »Verdammt, halt’s Maul!« Und das feierliche Ritual der Taufe begann.
    Der Presbyter Eusebios, der geflissentlich übersah, was dort in der Menge vor sich ging, näherte sich mit einem Gefäß voll Weihwasser den knienden Juden, und während der Chor sang, tauchte er den Finger ins Wasser, erteilte Vater und Sohn das Sakrament der Taufe und verkündete ihnen zunächst auf Griechisch, dann in der Sprache der Juden, die er nur unvollkommen beherrschte, die Lehren, die so bedeutsam werden sollten: »Durch dieses Wasser werdet ihr in die Heilige Christliche Kirche aufgenommen. Auf ewig seid ihr nun Teil des ungenähten Rockes, und nichts vermag diese heilige Taufe abzuwaschen, nichts sie weg zubrennen noch wegzuschneiden. Keine Androhung von Strafe, selbst nicht die der Todesstrafe, kann diesen euren Entschluß zunichte machen, denn ihr seid nun Glieder der brüderlichen Gemeinde Christi. Vom alten Gesetz seid ihr frei und steht unter dem neuen.« Er hob die beiden einstigen Juden auf und küßte sie auf die Wange, stellte sie der Gemeinde vor und sprach: »Johannes der Steinmetz, der uns beim Bau unserer Kirche hilft, gehört nun dieser

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