Die Quelle
Kirche wahrhaftig an. Sein Sohn Markos, der als Ausgestoßener unter euch gelebt hat, ist kein Ausgestoßener mehr. Nehmt die beiden als Brüder auf.« Die Christen jubelten. Rabbi Ascher und seine Juden schwiegen.
Der Vorabend des Sabbat war angebrochen. Von seiten der Juden geschah nichts als Antwort auf die Herausforderung, denn alle, die Unruhe hätten stiften können, waren in der Synagoge. Am Samstag aber, als mit Einbruch der Nacht der
Sabbat endete, sammelten sich junge Juden unter Jael und Abraham als Anführern. Sie schlichen vorbei an den byzantinischen Wachposten, gossen Öl an das Haus eines Steuereinnehmers und zündeten es an. Hell loderten die Flammen als Fanal jüdischen Widerstandes, so hell, daß die Nachtwachen in Ptolemais den Feuerschein am Himmel sahen. Der Statthalter, sofort benachrichtigt, entsandte ein Schiff nach Antiochia: Die Juden hätten rebelliert. In aller Eile solle man die germanischen Söldner nach Süden in Marsch setzen.
In Makor war indessen nach all den Aufregungen wieder einigermaßen Ruhe und Friede eingekehrt, nicht zuletzt dank der Bemühungen des Priesters Eusebios, der selbst den Tumulten mit christlicher Nachsicht begegnete. Die Bitterkeit, die er vielleicht empfand, ließ er sich nicht anmerken, und so verzichtete er darauf, Rabbi Ascher vorzuladen, sondern suchte ihn in seiner Mühle auf und sagte: »Ich habe heute morgen erfahren, daß die Germanen auf dem Weg nach Ptolemais sind. Sofern ich sie dort nicht aufhalten kann, kommen sie hierher, um die Aufrührer zu bestrafen. Nun wünscht weder Ihr noch wünsche ich diese Germanen, die hart zupacken, in Makor zu sehen. Ich werde also veranlassen, daß sie fernbleiben, falls Ihr Eure Juden veranlaßt, mit ihren Widersetzlichkeiten aufzuhören.«
Rabbi Ascher, den das aufsässige Verhalten seiner Juden ohnedies genug bekümmerte, konnte sich vorstellen, wie diese Germanen nach Ptolemais marschierten und von dort, wie einst die Römer es getan hatten, ganz Galilaea überfluteten -offenbar wurde die Geschichte, gleich einem Volkslied, der Wiederholungen nie müde. Deshalb versprach er dem Priester: »Ich will alles tun, die Juden im Zaum zu halten.« Mit Nachdruck machte er insbesondere den jüngeren Angehörigen seiner Gemeinde klar, wie sie sich dieser so plötzlich sich erhebenden christlichen Kirche gegenüber zu verhalten hätten.
»Wir müssen in Eintracht mit den Christen zusammenleben, können es jedoch nicht, wenn Unverstand und Neid uns daran hindern. In Makor sehen wir dieser Tage zwei Kinder des Allmächtigen, unseren alten jüdischen Glauben und die junge christliche Kirche. Eine Zeitlang mögen sie miteinander wetteifern und streiten. Doch der alte und der neue Glaube erinnern mich an den alten Rabbi Elieser und seinen noch jungen Schüler Akiba. Damals war eine Dürre. Der alte Lehrer betete neunmal um Regen, ohne Erfolg. Darauf betete Rabbi Akiba einmal, und schon bei seinen ersten Worten fiel Regen. Die Juden priesen ihn als den wahren vom Allmächtigen Erwählten. Elieser war darüber tief gekränkt. Akiba aber ging zu ihm und sagte: >Es war einmal ein König, der hatte zwei Töchter, die eine alt und weise, die andere jung und halsstarrig. Wenn die sanfte Schwester mit einer Bitte vor den König hintrat, zögerte er, sie ihr zu erfüllen; denn er hoffte so, diese Tochter, deren Stimme seinen Ohren lieblich war, bei sich zu behalten. Aber wenn das barsche und laute jüngere Kind um etwas schrie, gab der König es ihm sogleich, denn er wünschte sie aus dem Palast zu wissen.< Weil Er die Bitte eurer jüngeren Schwester erfüllte, hat der Heilige, gelobt sei Er!, euch keineswegs vergessen.«
Rabbi Ascher war überzeugt, auch die Verstockten unter seinen Juden beruhigt zu haben. Deshalb beschloß er, nach Twerija, der Stätte der ihm auf erlegten Pflicht, zurückzukehren. Er sann darüber nach, wie er geirrt hatte, als er glaubte, der Bau einer Synagoge sei die ihm vom Allmächtigen gestellte Aufgabe, bis er seine wahre Berufung erkannte: Mitzuwirken daran, daß ein Gitter um die Thora errichtet wurde, und den Studenten der Jeschiwa zu erklären, was die Thora und das Gitter bedeuteten. Sich von dieser seiner Gewissensverpflichtung durch doch eigentlich unwesentliche politische Widerwärtigkeiten abhalten zu lassen, war keineswegs seine Absicht. Eusebios, der erfuhr, daß der Rabbi abreisen wollte war sehr verwundert: Wie konnte das geistliche Oberhaupt der Juden von Makor die Stadt zu einem so
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