Die Quelle
geschaffen hatte. Rasend vor Wut warf er sich auf die Schufte, die über sein Mosaik hergefallen waren. Aber einer hatte ihn kommen sehen und schlug ihm eine Stange über den Kopf. Der Steinmetz fiel auf den Rücken. Unbekümmert ließen die Tobenden ihn liegen.
Die Vernichtung war nicht aufzuhalten. Nach wenigen Stunden stand kein einziges jüdisches Gebäude mehr in Makor. Für Juden hatte diese Stadt künftig keinen Platz. Unwiderruflich. Denn die Germanen, die Eusebios endlich gebändigt hatte, marschierten feierlich zur alten Kirche, beteten dort und zerrten dann den syrischen Priester zu den Trümmern der Synagoge, wo sie ihn veranlaßten, die Ruine mit Weihwasser zu besprengen und sie zur christlichen Kirche zu weihen. Dann traten sie in Paradeaufstellung vor Eusebios an. Ihr Anführer meldete: »Wir haben eine Synagoge ausgetilgt und übergeben dir eine Basilika.« Sogleich danach zogen sie im Eilmarsch nach Twerija. Dort sollte das Zerstörungswerk noch gründlicher vonstatten gehen.
Die Nacht kam herauf. In seinem stillen Zimmer tat Eusebios, was er nur konnte, um den besinnungslosen Rabbi Ascher wieder zu Bewußtsein zu bringen; endlich erholte sich der alte Mann. Die Germanen hatten ihm zwei Zähne ausgeschlagen und am Mund Platzwunden beigebracht, aber er vermochte wenigstens zu gehen. Nach Mitternacht machte er sich auf, seine Juden um sich zu sammeln und ihnen Trost zuzusprechen. Aber er fand nichts als Elend: Von seinen sechs Schwiegersöhnen waren vier tot; die Mühle stand nicht mehr, und als er die Synagoge erblickte, von der nur noch klaffende Mauern übriggeblieben waren, überkam ihn ein Gefühl, als sei sein eigenes Leben ausgelöscht worden.
Es gab keine Häuser mehr, in denen die Juden hätten Obdach finden können. Deshalb drängten sie sich um ihren Rabbi und blickten auf ihn, voll Erwartung, was er ihnen zu sagen habe. Doch Ascher ha-Garsi war so erschüttert, daß er keine Worte fand. Erst als seine Tochter Jael mit zweien ihrer verwitweten Schwestern aus dem Wadi zurückkehrte und die drei jungen Frauen ruhig und ungebrochen erklärten, sie seien bereit, weiterzuleben, unter welchen Umständen auch immer, faßte er neuen Mut. Laut begann er zu beten: »Allmächtiger, abermals hast Du uns unserer Sünden wegen gezüchtigt. Aber auch inmitten der Trümmer geloben wir, daß Du der Eine bist, den wir lieben, Du der Eine, dem wir dienen.« Nachdem er sein Klagegebet beendet hatte, beriet er sich mit den Ältesten der Gemeinde, wohin die Juden nun ziehen sollten.
Gegen Morgen schien es, als dürfe man hoffen, doch nicht fortziehen zu müssen. Denn Eusebios kam und verkündete: »Als Haupt der christlichen Kirche in Makor bitte ich euch wegen der gestrigen Geschehnisse um Vergebung. Wahr ist, daß unsere hiesigen Soldaten bei der Bestrafung eurer Aufrührer mitgewirkt haben, aber eure Synagoge ist nicht von ihnen zerstört worden. Meine Leute haben auch eure Häuser nicht in Brand gesteckt. Ihr könnt wie zuvor unter uns leben, und meine Bauarbeiter werden euch eine neue Synagoge bauen.«
Alle, denen es bange war vor dem Exil, atmeten auf. Freudig erregt rief ein Jude: »Wir werden die Synagoge an der alten Stelle wiederaufbauen.«
»Nein«, entgegnete Eusebios ihm ruhig. »Dieser Platz ist geweiht worden und damit christlicher Boden. Wir werden unsere Basilika dort errichten, aber ihr könnt die Stelle haben, auf der wir bis jetzt bauen wollten.«
»Geweiht?« fragte der Jude. Er hatte kein Heim mehr, sorgte sich aber um die Synagoge.
Ein anderer Jude begehrte auf: »Ein Haufen betrunkener Söldner zwingt einen Priester, Weihwasser zu verspritzen.«
Ein byzantinischer Krieger schlug den Juden über den Mund, während Eusebios erklärte: »Sofern ein Mensch oder ein Gebäude einmal geweiht worden ist.«
»Das ist kein Gebäude«, rief der erste Jude. »Das ist eine Trümmerstätte.« Derselbe Soldat schlug auch ihn als einen Gotteslästerer.
»Trümmerstätte oder Gebäude«, sagte Eusebios, »die Stelle ist geweiht. Und wie ich euch warnend sagte, als Johannes und Markos die Taufe empfingen: Wenn das Wasser ausgegossen ward, kann nichts es wieder entfernen.« In diesem Augenblick erlebte Rabbi Ascher eine jener Visionen, wie sie von Zeit zu Zeit den Männern Gottes zuteil werden. Und da erkannte er, daß die Zerstörung der Synagoge der Wille des Allmächtigen gewesen war. Vorgeschlagen hatte Rabbi Ascher den Bau nur, weil er die Vision im Olivenhain falsch gedeutet hatte, und
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