Die Quelle
den Sattel seiner grauen Stute, stieß sie heftig in die Flanken, ritt seiner Hundertschaft voraus durch das Tor in die Dunkelheit und rief: »Nach Safat! Allah wird uns führen!« Erfahrene Krieger, die dem Davonreitenden nachsahen, sagten: »Heute abend ist Safat arabisch.« Vielleicht lebte dann dort kein einziger Bewohner mehr. Aber die Stadt gehörte den Arabern.
Als die erste Hundertschaft verschwunden war, trat die zweite an. Noch war sie nicht aufgesessen, und alles ging ruhiger zu als unter dem Befehl des ungestümen Abu Said. Gelassen und doch entschieden machten sich die Krieger an ihren Kamelen zu schaffen, banden Lasten fest, zogen
Sattelgurte enger. Fast hätte man meinen können, daß sie sich auf eine Handelsreise vorbereiteten, von der ihnen bereits alles bekannt war außer dem Preis für das Tuch. Aber auch sie waren Krieger, die, wie die Männer der ersten Hundertschaft, ihren Mut bei der Einnahme von Damaskus und Tabarija - so nannten die Araber Tiberias - bewiesen hatten. Sie bildeten sogar eine der besten Einheiten des arabischen Heeres. Während Abu Saids wilde Schar gegen Safat geworfen wurde, um zu morden und zu sengen, war der zweiten Hundertschaft der wichtigere Teil des Unternehmens vorbehalten.
Ihr Anführer stand an einer Säule der Karawanserei, ein großer, schlanker, dunkelhäutiger Mann, etwa Mitte der Dreißig. Sein graues Kopftuch hing bis zur Gürtellinie herab; sein Gewand war aus zahllosen bunten Stoffstreifen zusammengenäht. Er trug schwere Sandalen und einen breiten Gürtel aus Ziegenwolle, daran eine Lederschlinge, in der sein Krummsäbel steckte. Während er sich im Schatten hielt, beobachtete er seine Männer, die ihre Kampfausrüstung sorgfältig überprüften. Jetzt befahl er einem nachzusehen, ob alle Tiere getränkt seien. Mit Wohlgefallen betrachtete er die etwa vierzig Pferde, die ruhig in der Mitte der Karawanserei standen - herrliche Tiere, die bereits bei Damaskus ihre Bewährungsprobe abgelegt hatten. Die Pferde waren ungesattelt, ihr Zaumzeug und ihre Sättel auf drei Lastkamele verladen, die dicht bei den Pferden standen. Der hochgewachsene Mann in dem bunten Gewand ging gemächlich, wie ein Kaufmann an einem Werktag, zu den Tieren, um sich zu überzeugen, daß sein eigener, mit roten Nägeln beschlagener Sattel dabei war. Dann kehrte er zu der Säule zurück und blickte nach Osten, wo über dem See von Tabarija die Sterne verblaßten und das erste Licht der hinter den Wolken aufgehenden Sonne zu sehen war. Abd Omar hieß der Dunkelhäutige. Sein erster Name besagte, daß er als Sklave geboren war. Sein Vater war ein unbekannter Wüstenkrieger gewesen, seine Mutter eine schwarze Sklavin aus Abessinien, die man bei einem Überfall im Süden Arabiens gefangengenommen hatte. Von beiden Eltern wußte er sonst nichts. Er war in der arabischen Stadt Jathrib aufgewachsen und hatte Kamelkarawanen von diesem Handelsplatz über siebenhundert Meilen nach Damaskus und wieder zurück geführt. Deshalb sprach er auch Griechisch, und als die Araber mit der Botschaft ihres Propheten aus der Wüste in die Welt des Mittelmeeres vorstießen, hatte er bald im Heer eine verantwortliche Stellung unter den Stammesführern gefunden. In welchem anderen Volk hätte ein Halbneger und Sklave solch einen ehrenvollen Platz erringen können? Aber der Prophet hatte gesagt: Als Gott die Menschen schuf, nahm er Staub von allen Teilen der Erde, der eine war schwarz, der andere rot, ein weiterer weiß, aber alle Menschen waren aus Staub geschaffen, und deshalb waren alle Brüder.
Diesen ehemaligen Sklaven also hatte man für das wichtige Unternehmen des heutigen Tages ausgewählt. Die arabische Heeresführung hoffte nämlich, daß die disziplinierte Truppe Abd Omars in der Zeit, in der Abu Said und seine wilde Schar das in den Bergen gelegene Safat nahmen, die Stadt Makor ohne viel Blutvergießen einnehmen konnte. Wenn es gelang, Makor zu überrumpeln, ohne daß es zu Widerstand kam, dann streckte vielleicht der wichtige Seehafen Ptolemais, der bei den Arabern noch mit dem alten Namen Akka bezeichnet wurde, ohne Belagerung die Waffen. Die Einnahme dieses Hafens war wichtig, wenn der Angriff weiter vorgetragen werden sollte gegen Tyros, Zypern und Ägypten. Abd Omar kannte diesen Plan und wußte also, daß es heute auf ihn ankam. Jetzt ging er zu seinen Männern und sagte leise: »Es dämmert bald.« Seine Männer bestiegen schweigend ihre Kamele, als wüßten auch sie, welch wichtige Aufgabe
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