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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Worte Christi hatte sich der Mann, den man einst als einen der größten unter den Kirchenvätern rühmen sollte, selbst entmannt. »Kein Mann vermag einen stärkeren Beweis seines Glaubens zu erbringen als diesen«, hatte ein alter byzantinischer Feldwebel behauptet. Eines Tages war der grauköpfige Veteran verschwunden, fortgegangen in die Syrische Wüste, zu einer der kleinen Mönchsgemeinschaften, die damals im Orient entstanden. In Makor raunte man sich zu, er sei noch vor seinem Verschwinden dem Beispiel des Origenes gefolgt. Mit scheuem Respekt sprachen die Bauarbeiter von seiner Tat; nach kurzer Zeit fehlte auch ein falkengesichtiger Ägypter.
    Es überraschte Markos, wie scharf sich Eusebios öffentlich gegen das Mönchstum aussprach. Als Anhänger der in Konstantinopel geltenden Glaubensmeinung, als ein Mann, der die Schönheit der Kunst liebte und der wußte, daß Mäßigung das Leben erträglich macht, predigte der Spanier: »In den Mönchsgemeinschaften unterwerfen sich die Männer Regeln, die ihnen helfen sollen, ein Leben der Versenkung in die Lehre Jesu Christi zu führen. Wahrscheinlich ist dies Gott wohlgefällig. Doch andere Männer von gleicher Frömmigkeit leben im Lärm der Welt, sie bauen Häuser und Kirchen, ziehen Kinder auf und helfen, die Welt unserem Glauben Untertan zu machen. Und das ist mit Sicherheit Gott wohlgefällig.« Markos fühlte sich seltsam angezogen von dem, was er über das Leben der Mönche gehört hatte. Eines Abends - die Stimmung in Makor war bis zum Zerreißen gespannt, und Eusebios erwartete jede Stunde die Meldung vom Eintreffen der Germanen in Ptolemais - suchte der junge Künstler seinen Priester auf und fragte ihn, was Männer wie Origenes und jenen alten byzantinischen Feldwebel veranlaßt haben könne, sich im Namen Jesu Christi zu verstümmeln. »Als Menschen haben sie geirrt«, antwortete Eusebios, »doch als fromme Männer, bei dem Versuch, sich Gottes Gesetz zu unterwerfen.«
    »Seinem Gesetz?«
    »Ja. Jeder Glaube muß sich ein Gesetz schaffen, und alle einsichtigen Menschen müssen nach diesem Gesetz leben. Es ist der Ruhm der Christenheit, daß durch Christus das Gesetz einfach geworden ist. Denn Er hat die größte Last auf Sich genommen.«
    »Aber das Gesetz Gottes bleibt trotzdem bestehen?« fragte Markos. »Selbstverständlich. Origenes und der Feldwebel haben in der Auslegung des Gesetzes geirrt, aber sie taten recht mit dem Versuch, nach dem Gesetz zu handeln.«
    »Gibt es ein Gesetz, nach dem Priester wie Ihr nicht heiraten dürfen?«
    »Ja. Das Gesetz des heiligen Paulus. Aber für die nicht zum Priestertum berufenen Christen wie dich ist die Ehe ein Segen. Eine Ehre sogar.« Eusebios stützte das Kinn auf die Daumen und lächelte. »Mein Vater hatte elf Kinder, und er war Christus näher, als ich es je sein werde. Wir wohnten in Avaro.« Er verlor sich eine Weile in Erinnerungen an die schöne Stadt in Mittelspanien und erzählte, daß sowohl das Olivenöl als auch der Wein von Avaro besser seien als Öl und Wein Palästinas. In seinen Betrachtungen wurde er durch einen Boten aus Ptolemais unterbrochen. Als Eusebios gelesen hatte, daß die germanischen Truppen aus Antiochia eingetroffen seien und in zwei Tagen nach Osten weitermarschieren sollten, wußte er, daß die Zeit für sentimentale Erinnerungen an Spanien vorbei war. Er schickte den Boten dorthin, wo er Verköstigung finden konnte, und wünschte Markos kurz gute Nacht. »Heirate ein Christenmädchen und sieh zu, daß ihr elf Kinder bekommt. Das ist der Weg zum Himmel.« Dann ging er, um sich mit dem Befehlshaber der Garnison zu beraten.
    So erlebte Markos in den ersten Wochen seiner Zugehörigkeit zum Christentum eine Vielzahl von Widersprüchlichkeiten - jener Widersprüchlichkeiten, die der Kirche noch viele Jahrhunderte zu schaffen machen sollten. Aber mochten ihn diese Widersprüchlichkeiten noch so verwirren, er begann doch, Einsicht zu gewinnen in das wahre Wesen seiner Kirche. In ihr begegneten sich unterschiedliche Kulturen und widerstreitende Glaubensüberzeugungen, und deshalb ging es lebhaft, stürmisch, ja wild zu: Ein Ägypter schlug einem Byzantiner unvermittelt den Schädel ein, weil dieser über die Mutter Gottes gespottet hatte. Markos erkannte, daß das Ringen um die grundlegenden Glaubenswahrheiten sich im Christentum als ebenso schwierig erweisen mußte wie im Judentum. (Doch als schließlich, nach Unterdrückung unzähliger Häresien und nach Überbrückung der Kluft

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