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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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mit einem Teil des Talmud erworben, die von Babylonien dorthin gelangt waren; der Besitz der Lehren, die von den Weisen Israels im Talmud niedergelegt waren, hatte ihn zum Berater und Sprecher der Seinen werden lassen, wenn er auch keineswegs zu einem Rabbi, einem Weisen oder Lehrer im wahren Sinne des Wortes wurde. Er war ein umgänglicher Mann, der Freude hatte am Trubel des Handels. Als Abd Omar, den er als Adoptivsohn angenommen hatte, elf Jahr alt gewesen war, hatte er ihn zum erstenmal mit einer Karawane auf die weite Reise durch die Wüste gehen lassen. »Achte auf die Kamele, und Gott wird auf dich achten«
    - das war eine der Lehren gewesen, die Ben Hadad dem dunkelhäutigen Knaben mit auf den Weg gegeben hatte. »Wenn ein Mann fünfzehn Goldstücke verlangt, gib ihm sechzehn, wenn du wieder ein Geschäft mit ihm machen willst.« Ben Hadad war in vielem eigener Ansicht gewesen. Während die anderen Juden von Jathrib es ablehnten, am Sabbat zu arbeiten, vertrat Ben Hadad die Ansicht: »Wenn meine Kamele bei Sonnenuntergang am Freitag eine halbe Meile von Hause sind, möchte der Allmächtige Selbst sie gut versorgt sehen.« Er hatte Abd Omar auch gelehrt: »Wenn du für drei Tage in die Wüste gehst, um ein krankes Kamel zu pflegen, wird dich der HErr belohnen.« Er war damals ein Mann von achtundvierzig Jahren gewesen, mit vier Frauen und zahlreichen Kindern; am meisten aber hatte er Abd Omar geliebt, denn der ehemalige Sklave war ein heller Kopf, und sehr bald war Omar sich darüber klar geworden, daß dieser Junge neben der harten Arbeit einen vergnüglichen Feierabend ebenso liebte wie er selbst. »Wenn ein junger Mann nach Damaskus kommt und es versäumt, zu den Mädchen aus Persien zu gehen, dann kann er getrost gleich zu Hause bleiben und mit den Weibern Datteln verpacken.«
    Aber auch aus Thora und Talmud hatte Abd Omar bei seinem Adoptivvater vieles gelernt, und deshalb wußte er besser als nahezu alle anderen Araber, ein wie großer Teil des Korans seinen Ursprung in den Lehren der jüdischen Weisen hatte. So war er durchaus einer Meinung mit dem Propheten gewesen, als dieser in der Absicht, Altes und Neues miteinander zu verbinden, den Juden großzügig entgegenkam, um sie für seinen Glauben zu gewinnen: Mohammed hatte Jerusalem, die Stadt, in der er zum Himmel aufgefahren war, als den Ort bestimmt, dem sich seine Anhänger beim Gebet zuwenden mußten; wiederholt hatte er seinen jüdischen Nachbarn in Jathrib versichert, daß er, wie sie, ein Nachkomme Abrahams sei - in seinem Falle durch Ismael, Abrahams Sohn von der Hagar; und er hatte in seine Verkündigung all das aufgenommen, was den Juden am teuersten war: den Glauben an den Einen Gott, die Geschichte des Mose, die Redlichkeit
    Josephs, den Ruhm Sauls, Davids und Salomos und die Lebensweisheiten Hiobs. Für jeden Einsichtigen mußte deshalb Mohammeds Lehre eine folgerichtige Fortsetzung des Glaubens der Juden sein. So hatte der Prophet gehofft, daß die Juden sich ihm freudig anschließen würden. Und es war geradezu symbolisch gewesen, daß der gastfreie Jude Ben Hadad ihn als erster willkommen hieß, als er auf der Flucht von Mekka nach Jathrib-Medina kam. Und eine der ersten Taten Mohammeds in seiner neuen Heimat war die Einladung an die Leute Ben Hadads gewesen, ihm nachzufolgen.
    Warum hatten die Juden abgelehnt? Warum? Abd Omar fragte es sich immer wieder, und er erinnerte sich dabei der etwas spöttischen Art, in der sein Vater Ben Hadad gelacht hatte, als Mohammed ihm vorschlug, das Alte Buch beiseitezulegen und den Koran anzunehmen. Ben Hadads Antwort war gewesen: »Ich stimme dir zu, daß es nur Einen Gott gibt. Aber Propheten - die gibt es nicht mehr.« Ein Streitgespräch war die Folge gewesen. Mohammed hatte mit der ganzen Kraft seiner Rede und seines scharfen Verstandes Ben Hadad zu überzeugen versucht. Der aber war felsenfest bei seinem Glauben geblieben: »Die Thora ist alles, was wir brauchen.«
    Abd Omar erinnerte sich noch gut jenes Morgens, an dem er Ben Hadad zum letztenmal Lebewohl gesagt hatte: Zwanzig Jahre alt war er damals gewesen und hatte gerade mit seiner Karawane nach Damaskus aufbrechen wollten, als Mohammed mit einigen seiner Anhänger unter einem Baum in der Nähe von Ben Hadads Haus ein Gespräch begann. Hier vernahm er die begeisternde Botschaft des Propheten zum erstenmal mit Bewußtsein, und hier spürte er zum erstenmal, daß er - der dunkelhäutige ehemalige Sklave eines Juden - für ein Leben im Dienst

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