Die Quelle
Kostbarkeiten für ihre kleinen oder großen Kirchen. Der Ausfall dieser Einnahmen bedeutete einen schweren Schlag für die Stadt. Trotzdem stritten sich die Christen noch immer. Die alte und so erbittert umkämpfte Streitfrage - ob Christus gleichzeitig Mensch und Gott war, wie die Ägypter angenommen hatten, oder erst Mensch und dann Gott, wie die aus Konstantinopel glaubten - war schon lange beigelegt worden, und zwar genauso, wie der Priester Eusebios es vorausgesehen hatte: Beide Seiten waren im Unrecht gewesen. Alle guten Christen glaubten jetzt, daß in Christus zwei Naturen verbunden seien, eine menschliche und eine göttliche
- die Ägypter allerdings hatten sich geweigert, ihren Glauben an die eine Natur Christi aufzugeben, und deshalb eine eigene Kirche gegründet, die man als »mono-physitisch« bezeichnete, weil im Griechischen monos einzig und physis Natur bedeutete. Nachdem solchermaßen das Problem von Christi Natur zur Befriedigung der meisten gelöst war, hatte sich freilich die Diskussion nur auf eine höhere Ebene verlagert, denn jetzt lautete die Frage, mit der sich die Kirche abquälte: Ist die geistige Natur Christi menschlich oder göttlich?
Die Basilika der heiligen Maria Magdalena - vor dreihundert Jahren errichtet und durch die Pilger auch in Europa gut bekannt, nicht zuletzt wegen ihrer Mosaiken - war jetzt Kirche eines Bischofs, den der Kaiser in Konstantinopel eingesetzt hatte. Anfangs hatte der Bischof, ganz dem Kaiser und dem Reich von Byzanz ergeben, sonst aber ein nicht eben fähiger Mann, in Makor dadurch Frieden zu stiften versucht, daß er von der zweifachen Natur Christi predigte. Genau das jedoch wollten die Einfaltspinsel von Makor nicht hören, die nach wie vor überzeugt waren, Christus sei zugleich Gott und Mensch. Infolgedessen verkündete der Bischof in seiner Basilika die offiziell von Konstantinopel anerkannte Lehre von den zwei Naturen vor einer immer kleiner werdenden Gemeinde, während die nur an eine Natur Christi glaubenden Bürger ihren Heiland nach der bei ihnen nun einmal beliebten ägyptischen Auffassung in der uralten baufälligen Kirche östlich des Haupttores verehrten. Manchmal wurde das dem Bischof jedoch zuviel. Er forderte byzantinische Truppen an, um seiner Predigt mit etwas Druck nachzuhelfen. Sobald die Krieger erschienen, zogen die Monophysiten brav in die Basilika und versicherten dem Bischof und den Söldnern, sie wollten sich nun also doch der rechtgläubigen Auffassung anschließen und an die beiden Naturen Christi glauben. Sobald jedoch die Krieger verschwunden waren, gingen sie hohnlachend wieder in ihre eigene Kirche und schrien dabei:
»Der Leib Jesu ist Einer
Und für immer heilig.
Die Mutter Jesu ist göttlich
Und für immer heilig.«
Kein Wunder, daß solch provozierender Gesang die Byzantiner erboste. Es kam zu Mord und Totschlag. Der Bruch aber war auch dadurch nicht zu heilen. Neben der byzantinischen und der ägyptischen Kirche gab es in Makor schließlich noch zwei weitere, eine von Rom für die Pilger aus Europa unterhaltene, und die vierte für die Nestorianer aus dem Osten. Zwischen Römern und Nestorianern gab es ebenfalls oft genug Zank und zwischen diesen und den beiden anderen ebenfalls, so daß die kleine Stadt Makor ein getreues Abbild der theologischen Anarchie bot, die für die Kirche in Asien so charakteristisch war.
Das wurde auch nicht besser, als einer der edelsten Kaiser, die Byzanz je gehabt hatte, eine neue Lehre verkündete: Herakleios, ein Mann, der Krieger, Gelehrter und Heiliger zugleich war. In seiner ersten Eigenschaft hatte er kürzlich -628 war es gewesen - die Perser unter ihrem König Chosrau besiegt und als Folge des Sieges das wahre Kreuz Christi zurückerhalten, das vor dreihundert Jahren von der Kaiserin Helena gefunden und von den Persern bei der Einnahme Jerusalems vor zwanzig Jahren geraubt worden war. Nun stand das Kreuz also wieder in der Heiligen Stadt, und Herakleios war durch diese Tat zum bedeutendsten Christen der Welt geworden. Als Gelehrter untersuchte er die Gründe für die Streitigkeiten, die das Christentum zerrütteten, und als ein heiligmäßiger Mann versuchte er sie zu schlichten, indem er einen Kompromiß vorschlug, den seiner Meinung nach Byzantiner, Römer, Ägypter und Nestorianer gleichermaßen annehmen konnten, wenn sie nur ehrlich dazu bereit waren. In diesen schicksalsschweren Jahren, in denen die Araber Damaskus und das halbe Reich von Byzanz einsteckten,
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