Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
Vom Netzwerk:
folgen. so dicht, daß ihr ihnen noch nachkommen könnt, wenn sie in eine Eidechsenhöhle schlüpfen.« Später, angesichts ausgedehnter Erörterungen dieser Lehre des Propheten, hatte Mohammed in Abd Omars Gegenwart verkündet: »Ihr werdet erleben, daß unsere treuesten Freunde diejenigen sind, die sagen >Wir sind Christen«, denn wie wir sind sie ein Volk des Buches.« In Tabarija war es dann Abd Omar gewesen, der den Streitigkeiten zwischen den verschiedenen christlichen Kirchen ein Ende gemacht hatte. Diese Gelegenheit war ihm willkommener Anlaß gewesen, sich von den Priestern über ihren Glauben unterrichten zu lassen. Mit Erleichterung stellte er dabei fest, daß der Prophet die Wahrheit gesagt hatte: Die Christen erkannten drei der von Mohammed genannten Vorläufer an: Johannes den Täufer, die Jungfrau Maria und Jesus. Ja, er entdeckte sogar, daß die Christen Maria fast so sehr verehrten wie die Araber, und das fand er recht beruhigend.
    Gleichzeitig jedoch stellte es sich heraus, daß die christlichen Kirchen, gespalten in eine byzantinische, eine römische und eine ägyptische, untereinander derart uneins waren - und zwar wegen Streitfragen, die Abd Omar nicht zu begreifen vermochte -, daß man mit einer Versöhnung nicht rechnen konnte. Aus diesem Grunde vermutete er, daß das Christentum bald zugrunde gehen werde wie eine wurzellose Pflanze, die man in einem Wadi der Sonne aussetzt, und so sah er es als seine Aufgabe an, diesem dahinschwindenden Glauben die letzten Tage so leicht wie möglich zu machen. In Makor jedenfalls wollte er den Christen in jeder Hinsicht entgegenkommen; um so eher, so hoffte er, würden sie von selbst ihren Irrtum einsehen und zum Islam übertreten.
    War diese Annahme Abd Omars überheblich? Eigentlich nicht, denn in jener Frühzeit des Islam, in der alle führenden Männer, wie auch Abd Omar, noch den Propheten selbst gekannt hatten, mußte der von Mohammed verkündete Glaube geradezu als ein Wunder festen Zusammenhalts und straffer Ordnung erscheinen, wenn man ihn mit dem von inneren Streitigkeiten heimgesuchten Christentum und dem unzulänglich gewordenen Judentum verglich. Der Islam hatte seine klare Aufgabe und seine ebenso klare Zielsetzung. Und deshalb war es durchaus verständlich, wenn Abd Omar glaubte, die Zukunft gehöre dem Glauben an Allah und seinen Propheten. Noch war die Zeit nicht gekommen, in welcher der Islam noch schlimmer gespalten werden sollte, als es die Christen jemals erlebt hatten; die Trennung in zwei einander feindliche Lager bereitete sich jedoch bereits vor. Schon vor Abd Omars Tod wurde der heiligmäßige Ali, ein Vetter des Propheten und der Gatte von Mohammeds Tochter Fatima, erschlagen; seine Söhne, um die sich viele der bedeutendsten Männer des Islam scharten, erhob man zu Halbgöttern. So splitterte sich die ehemals einheitliche Kraft des Islam auf, und es entstand eine Kluft, die nie mehr überbrückt worden ist.
    Hätte Abd Omar sich näher mit seinem eigenen Glauben befaßt, so wären ihm die Spannungen, die sich herauszubilden begannen, sehr wahrscheinlich aufgefallen. Aber wie die meisten Frommen seiner Zeit bekümmerte er sich mehr um die Auseinandersetzungen, die in anderen Religionen zur Spaltung geführt hatten, als um den Streit, der bald seine eigene erschüttern sollte. Jetzt jedenfalls, im Begriff, mit seinen Kriegern in die Wälder einzudringen, die es auf dem Weg nach Makor zu durchqueren galt, machte er sich das, was seine Aufgabe war, noch einmal klar: Unter keinen Umständen dürfen wir uns in die Zwietracht der Christen hineinziehen lassen, denn über kurz oder lang werden sie ohnehin unseren Glauben annehmen.
    In der einst ummauerten Stadt Makor warteten die Christen -aufgespalten in nicht weniger als vier Gruppen. Nicht einmal die Tatsache, daß Damaskus an die Araber verlorengegangen war, nicht einmal der dadurch bedingte Zusammenbruch des Handels hatte die Verfeindeten dazu bringen können, sich gegen den gemeinsamen Gegner zu vereinigen. Und durch den Fall von Tiberias war nun auch der starke Pilgerverkehr nach und von Kapernaum zum Erliegen gekommen - es sah ganz so aus, als werde durch den drohend heraufziehenden Islam auch das so gewinnbringende Geschäft ein Ende finden, das man in Makor mit dem Verkauf von Reliquien machte: Jahr um Jahr nämlich hatte man mehrere Dutzend Schenkelknochen, die angeblich von der heiligen Maria Magdalena stammten, an die Gläubigen verschachert, die sie nach Europa mitnahmen, als

Weitere Kostenlose Bücher