Die Quelle
Mohammeds und seines Gottes berufen war. Weit über den richtigen Zeitpunkt zum Aufbruch hinaus verweilte er
im Banne der Worte des Propheten und hörte voll Ehrfurcht die Offenbarungen des Mannes aus Mekka:
»Wenn die Sonne sich einrollt Und die Sterne fallen,
Wenn die Berge verwehen
Und Kamelstuten bleiben trächtig am Weg zurück,
Wenn wildes Getier kommt zuhauf
Und die Meere branden
Und die Seelen schließen sich eng aneinander,
Und wenn da gefragt wird das lebendig begrabene Mädchen, Um welcher Sünde willen es getötet ward?
Und wenn das Buch offen daliegt,
Und wenn der Himmel sich auftut,
Und wenn die Hölle flammt lichterloh,
Und wenn der Garten des Paradieses ist nahe bevor:
Dann wird jede Seele wissen, was sie getan!«
Am Ende dieser apokalyptischen Vision hatte Abd Omar sich vor dem Seher niedergeworfen und gerufen: »Ich bin dein Knecht!«
»Nicht meiner, sondern Allahs«, war die Antwort gewesen. In diesem Augenblick hatte Abd Omar den Bund geschlossen, der bestimmend geworden war für sein Leben und aus einem Sklaven, einem adoptierten Juden schließlich einen Hauptmann der Gläubigen Allahs hatte werden lassen.
In seiner Verzückung war er zu Ben Hadad geeilt: »Vater, ich habe mich dem Propheten ergeben.« Zuerst hatte der rothaarige Jude gescholten, dann aber großmütig geantwortet: »Ich hoffe, du findest bei ihm den Frieden.«
»Wirst auch du ihm folgen?«
»Nein. Es gibt den Einen Gott, und zu den Juden spricht Er durch die Thora.« Diese feste Überzeugung Ben Hadads ließ seinen Sohn verwundert aufblicken, aber schließlich glaubte Abd Omar zu verstehen. »Du bist der Sprecher der Juden, und deshalb mußt du wohl Jude bleiben. Aber die anderen.«
»Ob sie sich Mohammed anschließen?« Der Kaufherr lachte. »Mein lieber Sohn, wir sind Juden, weil wir an ganz bestimmte Dinge glauben. Keiner wird sich ihm anschließen.«
Diese Antwort überraschte Abd Omar. Zugleich aber fühlte er sich verpflichtet zu sagen: »Dann kann dies das letzte Mal sein, daß ich deine Karawane nach Damaskus führe.«
»Lieber Sohn«, erwiderte Ben Hadad mit leisem Lächeln, »ich habe dich zu einem Mann Gottes erzogen. In Damaskus sind die Christen ebenfalls Männer Gottes. Auch Mohammed ist es. Auf irgendeine Weise wirken wir doch alle auf das gleiche Ziel hin.«
Abd Omars Vorhersage war richtig gewesen. Es blieb die letzte Reise, die er für den Juden nach Damaskus unternahm. Wie aber konnte man, sogar vor sich selbst, die Gründe darlegen, die dafür verantwortlich gewesen waren? Trotz aller Versuche Mohammeds, die Juden von Medina zu bekehren, hatten diese sich nicht überzeugen lassen, sondern sich während Abd Omars Abwesenheit sogar mit einem Feind des Propheten verbündet, der Krieg gegen ihn führte, sich öffentlich über den Koran lustig gemacht hatte und gemeinsam mit den Heiden versuchte, die Ausbreitung des Islam zu verhindern. An einem Tag des Schreckens, den der neue Glaube noch lange Zeit danach vergessen machen wollte, wurden die jüdischen Männer von Medina auf den Marktplatz vor einen Graben getrieben und einer nach dem anderen geköpft. Angesichts des offenen Grabes hatte man jedem Juden Leben und Freiheit angeboten, wenn er nur eine Frage bejahte: »Willst du deinem Glauben abschwören und dich uns anschließen?«
Ben Hadad lachte nur. Sein Haupt rollte in die Grube, dumpf polterte sein Körper hinterher.
Siebenhundertneunundneunzig Juden lehnten Mohammed ab; ein einziger rettete sein Leben durch die Bekehrung. Als die Tragödie ihr Ende gefunden hatte, waren zwei Dinge klar: Die Juden nahmen den neuen Glauben nicht an. Aber man konnte unmöglich alle hinrichten. Sie waren gute Bauern und vorzügliche Kaufleute. Man brauchte sie. Deshalb schloß man zähneknirschend einen Waffenstillstand: Wenn sie sich ordentlich betrugen, konnten sie weiterhin ihrem Buch anhängen, mußten aber höhere Steuern zahlen und durften sich in Zukunft nicht mehr frei bewegen.
Um zu beweisen, daß er bereit war zu verzeihen, machte Mohammed eine bemerkenswerte Geste: Nach dem Massaker, als der Gedanke an Versöhnung in der Luft lag, wählte er unter den fünfhundert oder sechshundert jüdischen Frauen, die an diesem Tag Witwen geworden waren, die schöne Rihana, das Weib eines Kaufmanns - Abd Omar hatte sie gut gekannt -, und heiratete sie. Im Jahr darauf, als er einen anderen führenden Juden hinrichten lassen mußte, der sich ihm widersetzt hatte, heiratete er dessen Witwe ebenfalls, die
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