Die Quelle
anmutige Sann. Mit den beiden jüdischen Witwen lebte der Prophet in gutem Einvernehmen; nicht zuletzt an ihnen lag es, wenn der Widerstand der arabischen Juden nachließ. Alle diese düsteren Erinnerungen ließ Abd Omar an sich vorüberziehen, während er mit seinen Kriegern durch die Wälder Galilaeas ritt. Die den Arabern so gar nicht vertrauten Bäume bedrückten ihn und seine Männer. Voller Trauer dachte er an jenen Tag zurück, an dem er von Damaskus heimgekehrt war und erfahren hatte, daß Ben Hadad hingerichtet worden war. Am Massengrab hatte er für den Juden gebetet, der ihm ein guter Vater gewesen war und ihn so vieles gelehrt hatte. Hier liegt er nun - sann Abd Omar -, und von seinen zehn Söhnen, mit denen ich als Kind gespielt habe, haben neun mit ihm sterben müssen. Nie wieder war die drückende Last dieser schrecklichen Erkenntnis von ihm genommen worden. Auch auf dem Ritt durch Galilaea lag sie auf ihm.
Dann aber wurde er von seinen Gedanken abgelenkt. Als die Araber den Wald durchquert hatten und plötzlich in der freien Ebene standen, sahen sie auf einem der Berge weit hinten in der Ferne einen hellen Lichtschein wie von einem Stern. Dort brannte Safat. Sie blickten hinüber mit einem eigenartigen Gefühl: Ihre Brüder hatten also die Stadt erreicht und zerstörten sie nun so, wie es in Zukunft verboten sein sollte. Einer der Krieger bemerkte trocken: »Abu Said ist also da!« Schnell wandte sich Abd Omar im Sattel um und sagte schroff: »Die Tage des Brennens sind vorbei.« Nach einer Weile schweigenden Starrens auf die dunklen Rauchwolken setzte er hinzu: »Makor wird unser ohne Brand und Mord.« Damit lenkte er sein Kamel zurück in den Wald. Es begann zu regnen. Er wußte, daß nun das Durchqueren der Sümpfe noch schwieriger wurde, dachte aber nicht lange an das unmittelbar Bevorstehende. Wieder grübelte er über jenen Nachmittag, als er das Massengrab der Juden von Medina zum erstenmal gesehen hatte. Dort, an der Stätte des Todes, war er der geworden, der er jetzt war: ein zu jedem Kampf bereiter, todesmutiger Mann, aber einer, der für rachsüchtiges Töten keine Entschuldigung gelten ließ.
In den häßlichen, engen Straßen von Makor warteten auch die Juden auf das Nahen des Islam. Sie hatten vom Fall der Stadt Damaskus und der Einnahme Twerijas gehört, ihrer einstmals geheiligten Stadt am See. Sie zitterten, denn es war die Zeit der Stürme, wenn die Rabbinen am Ende ihrer Gebete Gott für den Regen danken: »Du, HErr, bist mächtig für immer. Du läßt den Wind wehen und den Regen fallen.« Ein Drittel der Bevölkerung von Makor bestand jetzt wieder aus
Juden, und in den umliegenden Tälern lebten ebenfalls viele jüdische Bauernfamilien. Denn die Juden zogen noch immer die Landarbeit dem Handeltreiben in der Stadt vor. Die Geldgeschäfte machten die Griechen. Und eine nennenswerte Rolle in der christlichen Stadt zu spielen, war den Juden ohnehin versagt. Denn die Herrscher in Konstantinopel hatten bestimmt, daß die Juden kein neues Gebäude errichten, bereits bestehende nicht ausbauen durften. Zudem hatte man strikt untersagt, daß eine Synagoge, wenn es sie schon gab, größer oder gar schöner war als die christlichen Kirchen des gleichen Ortes, und da die wenigen und armen Nestorianer von Makor sich nur eine sehr bescheidene Kirche leisten konnten, war die Synagoge wirklich nicht mehr als eine Hütte. Die Unterlegenheit der Juden zeigte sich keineswegs nur in Äußerlichkeiten. Der Rabbi der Gemeinde war geistig ebenso armselig, wie es seine Synagoge als Bau war. Weder ein alter, in der überkommenen Lebensart Israels wurzelnder Mann noch ein junger, von der Kraft des Talmud erfüllter Gesetzeslehrer, unterwarf er sich völlig der byzantinischen Mehrheit. Obwohl kaum vierzig Jahre alt, berief er sich gedankenlos allein auf den Buchstaben des Talmud und war so eine Art moralisierender Buchhalter, der seine Aufgabe darin sah, die Juden anzuhalten, daß sie in blindem Gehorsam die Gesetze Konstantinopels und die religiösen Vorschriften des Talmud befolgten. In der langen Geschichte des Judentums hat es viele solche Rabbinen gegeben. Trotzdem vermochte es alle Stürme der Zeiten zu überdauern. Denn jeder wahre und echte Rabbi -wie Akiba es gewesen war, der einst unter dem gleichen Druck Roms gestanden hatte wie jetzt der Rabbi von Makor unter dem von Byzanz, der aber im Verlauf der Auseinandersetzung die Lehre seines Glaubens vertieft und veredelt hatte - wäre von der
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