Die Quelle
er Klaus, der noch immer das Eselshaar hielt. Er fragte ihn: »Kannst du dir ein Pferd besorgen, Mann?«
»Ja, Herr«, rief Klaus zurück.
»Dann reitest du mit uns«, rief Gunther. »Denn ich brauche einen Knecht, der Glück hat.« Als die sieben Ritter nach Süden davonritten, war Klaus aus Gretsch bereits bei ihnen.
Nachdem sie verschwunden waren und die Aufregung sich gelegt hatte, trat Wezel von Trier, ruhig wie immer, zu seinem Herrn und sagte: »Nach meinem Dafürhalten, Herr, solltet Ihr das Kreuz nehmen.«
»Warum?« fragte Volkmar sehr ernst. »Gott will es«, erwiderte Wezel.
»Das sind die Worte des Mannes, der dem falschen Papst anhängt«, entgegnete ihm Volkmar.
»Glaubt mir, Herr Volkmar: In dieser großen Sache gibt es keinen falschen Papst und keinen wahren. Es gibt nur den Ruf Gottes. Die Heilige Stadt, das Land unseres Heilands Jesus Christus, ist in der Macht der Ungläubigen, und wir sind aufgerufen, sie zu befreien.«
Graf Volkmar lehnte sich beunruhigt zurück. »Du sprichst, als ob du.«
»Heute in einem Monat«, verkündete der Priester, jetzt mit hartem Blick, »werde ich mit den anderen reiten.«
»Aber warum?« fragte Volkmar eigensinnig. »Du hast hier deine Kapelle. Wir brauchen dich.«
»Und wir brauchen Euch in Jerusalem.«
Eine Woche lang dachte Graf Volkmar über die Aufforderung nach, die Gunther ihm so nachdrücklich vorgetragen hatte, und jeden Tag sagte Wezel mit strengem priesterlichem Gesicht nachdrücklich, eine Bewegung heiligen Glaubenseifers ohne Vergleich sei im Gange, und jeder mutige Mann, der sie versäume, werde sich für immer schämen müssen. Wezel sprach nie von Königreichen und Fürstentümern; in seinem Herzen war der Ruf Gottes, und er wollte, daß sein Herr den Ruf nicht überhöre.
Am folgenden Samstag rief Graf Volkmar, der weder lesen noch schreiben konnte, Wezel zu sich, um einen vorsichtig umständlichen Brief an den deutschen Kaiser aufzusetzen: ob ein rheinischer Ritter in Ehren dem Aufruf eines falschen Papstes aus Frankreich zum Kreuzzug folgen könne. Das war eine Frage, sehr viel heikler, als man annehmen sollte. Denn der Papst aus Frankreich hatte erst kürzlich den Kirchenbann über den deutschen Kaiser verhängt, und zwischen beiden bestand eine bittere Abneigung. Während Volkmar auf Antwort wartete, besprach er die Angelegenheit mit Hagarsi, dem Gottesmann. Der Jude hörte aufmerksam zu, was der große, ungeschlachte Ritter ihm von seinen Gewissenszweifeln auseinandersetzte: »Ich will Gott dienen, aber ich will auch meinen Kaiser nicht erzürnen. Wie kann ein deutscher Kaiser seinen Rittern die Erlaubnis geben, den Befehlen eines Papstes aus Frankreich zu folgen, der noch nicht einmal rechtmäßiger Papst ist.«
Der Geldverleiher lachte. Indem er den Saum seines Gewandes mit beiden Händen erfaßte, sagte er: »Graf
Volkmar, wenn Ihr Euch entschlossen habt, auf den Kreuzzug zu gehen.«
»Ich habe nicht die Absicht«, widersprach der Graf.
Hagarsi überhörte den Einwand und fuhr fort: »Laßt Euch leiten von der Geschichte eines unserer großen Rabbinen. Akiba hieß er. Es erhob sich die Frage, ob man das Widderhorn in einer neuen Stadt blasen dürfe, nachdem Jerusalem, das allein das Recht gehabt hatte, solch ein Horn ertönen zu lassen, von den Römern zerstört worden war. Was sollte man tun? Akiba und seine weitherzigen Freunde sagten: >Laßt uns das Horn hier blasen und ein neues Jerusalem errichten.< Aber die engherzigen Strenggläubigen entgegneten: >Nur in Jerusalem darf das Horn ertönen. Und Jerusalem ist nicht mehr.< Da machte Akiba den Vorschlag: >Die Stunde ist da. Laßt uns das Horn blasen und später weiter darüber sprechen.< So bliesen sie das Horn. Dann kamen die Strenggläubigen, aber Akiba bedeutete ihnen: >Warum sollen wir noch darüber reden? Ein Musterbeispiel ist gegeben. Als Juden müssen wir uns in Zukunft danach richten.««
Die beiden lachten. Hagarsi fuhr fort: »Glaubt mir, Graf Volkmar. Wartet nicht auf die Antwort des Kaisers. Entscheidet jetzt, was getan werden muß, und tut es.«
»Selbst wenn ich meinen Kaiser erzürne?«
»Herrscher sind dazu da, erzürnt zu werden«, antwortete der Jude. Aber trotz seines Rates entschloß sich Volkmar doch noch zu warten.
Ehe eine Antwort vom Kaiser in Gretsch sein konnte, kamen Gunther und seine sechs Ritter zurück von ihrem Ritt rheinaufwärts. Vierzehn Begeisterte waren es nun, dabei ein hübsches Mädchen, das Gunther in Speyer aufgelesen hatte. Er
Weitere Kostenlose Bücher