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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Streit zu beenden. Volkmar riß ihn hoch. »Du wirst solche Dinge in Zukunft verhindern«, schrie er. »Es werden keine Juden mehr getötet.«
    Gunther war verärgert. Er war größer als Volkmar, kräftiger und jünger. Aber er schob nur den Arm seines Schwagers beiseite und ließ sich wieder in den Stuhl fallen. »Es wäre doch Wahnsinn, die Juden am Leben zu lassen. Sie haben Christus gekreuzigt. Sollen sie noch reicher werden, während wir fort sind und für unsern Heiland kämpfen?«
    Er wandte sich von dem Grafen ab und gab ihm damit zu verstehen, daß er die Sache als erledigt betrachte. Aber so leicht ließ sich Volkmar nicht abweisen. Nochmals riß er Gunther hoch. Der junge blonde Ritter hatte jedoch genug. Er hob die Hand, schlug seinem Schwager ins Gesicht, daß der zurücktaumelte und fiel. Volkmar griff nach seinem Schwert; er hätte es aus der Scheide gezogen, wären nicht die übrigen Ritter herbeigestürzt, um ihn daran zu hindern. Sie halfen dem Grafen auf die Beine und schoben ihn schnell aus dem Zelt hinaus. Der blöde Gottfried ohne Kinn bewies seinen Mut, indem er ihm vom Zelteingang aus nachrief: »Behellige uns nicht mehr mit solchem Unsinn. Gunther führt das Heer, und kein Jude bleibt am Leben.«
    Das Kreuzfahrerheer strömte rheinaufwärts, angeführt von Gunther mit dem blauen Kreuz, und wo immer sie hinkamen, wurden die Juden hingeschlachtet. In Mainz, in Worms, in Speyer gab es Gemetzel. An der Spitze der Mordenden ritt Gunther. Immer wieder rief er, Gott Selbst habe die Vernichtung Seiner Feinde befohlen. In kleinen Städten schleppten sie die Juden in ein Haus und verbrannten sie bei lebendigem Leibe. In den großen Städten rasten die kühnen Ritter und ihr Anhang durch die Straßen, solange, bis sie auch den letzten Juden in seinem Versteck aufgespürt und niedergemacht hatten.
    In einer Stadt jedoch hatten sich alle Juden schon vorher mit den Messern, die nach den Angaben der Thora für rituelle Schlachtungen geschärft waren, den Hals durchgeschnitten. Der Boden schwamm in Blut, als die Kreuzfahrer die Tür der Synagoge einschlugen.
    »Dreckige Juden!« schrien die Ritter voller Wut, als sie sahen, daß die jüdischen Mütter ihre eigenen Kinder lieber getötet hatten, als sie den Waffen der Kreuzfahrer auszuliefern.
    »Tiere sind sie«, brüllte Gunther. »Welche Mutter bringt ihr eigenes Kind um?« Wir können von diesen Dingen so genau berichten, weil Wezel von Trier sie in seiner Chronik der deutschen Kreuzfahrer aufgezeichnet hat:
    »Am sonderbarsten war die Tatsache, daß, abgesehen von einigen wenigen Juden, die in der ersten Hitze getötet wurden, alle ihr Leben und ihre Seelen hätten retten können, wenn sie sich zum wahren Glauben bekannt hätten. Aber sie weigerten sich hartnäckig, es zu tun, und zogen es vor, in ihrem abscheulichen Irrglauben zu verharren, anstatt das Heil zu erkennen. Ich selbst habe nicht weniger als viertausend Juden die Liebe und den Frieden meines Heilandes Jesu Christi angeboten. Sie aber kehrten mir höhnisch den Rücken und riefen: >Höre, Israel, der HErr, unser Gott, ist der Einzige Gott.< So blieb uns Christen keine andere Wahl, als sie zu erschlagen.
    Mein Herr Volkmar, dem das Töten sehr zuwider war, hat wiederholt das Heer verlassen und nach Hause zurückkehren wollen, so daß ich ihn an seinen Schwur erinnern mußte, Jerusalem zu befreien, und daran, daß, wenn er diesen Schwur breche, er für immer aus der heiligen Kirche ausgeschlossen werde. So konnte er nichts anderes tun, als bei uns bleiben, und ich tröstete ihn also: >Ist es nicht besser, daß ein ehrsamer Mann mit Gunther reitet, damit er versuche, ihn zurückzuhalten. < Doch auch dann, so glaube ich, hätte mein Herr Volkmar uns verlassen, wäre nicht sein Weib Mathilda gewesen, die ihm vorhielt, es sei seine Pflicht mitzureiten, so daß, was später geschah, in gewissem Sinne ihr zuzuschreiben ist.«
    Das Hinschlachten dauerte fort, bis eines Nachmittags zwei Mädchen von etwa siebzehn Jahren, kurz bevor man sie vergewaltigen konnte, sich gegenseitig den Hals durchschnitten - daß zwei Menschen sich auf diese Weise umbringen, ist kaum vorstellbar, aber die jüdischen Mädchen hatten es getan. »Um Gottes willen, haltet ein!« flehte Volkmar zum hundertstenmal. Und seine Frau blickte voller Entsetzen auf die beiden toten Jüdinnen, die im gleichen Alter waren wie ihre Tochter Holda, aber selbst noch im Tode hübscher. Sie kniete bei den Toten nieder und küßte die

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