Die Quelle
wachsbleichen Lippen. An diesem Tage hörte das Morden auf
- aber dreißigtausend Juden lebten nicht mehr, und der große Kreuzzug hatte mit einem Blutbad begonnen.
Der Marsch durch Österreich verlief friedlich. Denn nun wurde die Aufmerksamkeit der Kreuzfahrer nicht mehr durch die Juden abgelenkt, und sie konnten sich den Frauen zuwenden, die mitgezogen waren, oder solchen, die sich auch jetzt noch anschlossen. Jeder fand eine für die lange Reise. Fröhlich waren die Nächte in den Heuschobern und unter den Sternen. Gunther hielt sich die Junge, die er schon auf seiner ersten Reise aufgelesen hatte, sowie eine Dirne aus Speyer. Volkmar jedoch blieb bei seiner Frau und seiner Tochter, und immer wieder betete er zu Gott, daß dieser Pöbelhaufen, mit dem er nur widerwillig dahinzog, irgendwie doch noch den Weg nach Konstantinopel finde, wo das wirkliche Kreuzfahrerheer sich versammeln sollte.
In Ungarn jedoch lauerte das Unheil auf Gunther und seine Deutschen. Kaum ein Monat war vergangen, seit die Horden Peters des Eremiten hier durchgezogen und alles gestohlen und geraubt hatten, was sie brauchen konnten. Gunthers Leute ernteten nun den Haß, den jene gesät hatten. In der ersten Stadt schon fanden die Kreuzfahrer alle Häuser verschlossen, und niemand gab ihnen Essen. Gunther schrie: »Brecht Türen und Läden auf und nehmt euch, was ihr braucht.« Nach kurzem Kampf waren mehr als zwanzig Ungarn ums Leben gekommen. »Bei Gott!« rief Gunther, als er seine Männer am anderen Ende der Stadt sammelte, »sie wollten uns Widerstand leisten - uns, dem Volk Christi!«
»Laßt uns umkehren und die Stadt zerstören«, schlug einer der Ritter vor. Für einen Augenblick war der wütende Pöbel drauf und dran, ein neues Blutbad anzurichten. Aber dem Grafen Volkmar gelang es noch rechtzeitig, das Massaker zu verhindern. Als der älteste der anführenden Ritter und sicherlich der erfahrenste verstand er es, den jüngeren klarzumachen, daß ihre Aufgabe nicht darin bestand, sich mit den Ungarn herumzuschlagen, sondern Konstantinopel zu erreichen, und zwar mit so vielen kampftüchtigen Männern wie möglich. »Der Feind steht in Asien«, mahnte er immer wieder.
Als aber die Bürger der zweiten Stadt - gewarnt von Boten aus der ersten - ihre Tore verbarrikadiert hatten und den Kreuzfahrern den Eintritt verwehrten, schrie Gunther: »Öffnet die Tore sofort, oder wir rennen sie ein.« Die Ungarn ließen die Tore geschlossen. So wurde die Stadt gestürmt und in Brand gesteckt. Und jeden Ungarn, der zu entkommen suchte, schossen die Bogenschützen nieder. Die Stadt wurde dem Erdboden gleichgemacht.
Von diesem Tage an war Krieg zwischen den Ungarn und den Kreuzfahrern. Jede Stadt, die das Heer erreichte, war menschenleer, nirgends Nahrung zu finden. Hunger wütete. Die Ungarn überfielen die Nachzügler und töteten viele. Pferde kamen um, Wagen wurden zerstört. Jeder achte aus Gunthers Heer war gefallen. Erleichtert überschritten die Kreuzfahrer die bulgarische Grenze. Schon die erste bulgarische Stadt sandte ihnen Boten entgegen, um die Fremden willkommen zu heißen. Warnend meinte ein Priester zu Wezel: »Sag deinen Rittern, sie sollen sich anständig aufführen, sonst bekommen wir Schwierigkeiten.« Wezel ging zu Gunther und Volkmar und sagte zu ihnen, was er später in seiner Chronik aufschrieb:
»>Ihr Herren, wir haben in Ungarn gesehen, welches Übel aus einem Mangel an christlicher Gnade entstehen kann. Und so bitte ich euch, sagt euren Männern, sie sollen sich aufführen, wie es sich für ein Heer Gottes ziemt. Laßt uns freundlich sein zu den Bulgaren, denn sie beten zu demselben Jesus Christus wie wir, und laßt uns ihnen ein Beispiel geben, was die Brüderlichkeit des Kreuzes bedeutet.< Aber entweder hörten sie meine Worte nicht, oder ihre Männer hörten nicht auf sie, denn nachdem die Tore geöffnet waren und der Markt vor ihnen lag, kamen die Unseren, krank und verhungert von dem Krieg in Ungarn, wie die Heiden über die armen Bulgaren und nahmen ihnen alles, ohne zu fragen. Die Stadtleute verteidigten sich gut, und es begann ein Kampf, in dem viele getötet wurden. Die Kreuzfahrer wurden zornig und jagten durch die Häuser auf der Suche nach Frauen, mit denen sie aufs beschämendste umgingen. Viele töteten sie. An jenem Tag war es eine Schande, das Kreuz unseres Heilands zu tragen.«
Die Vergeltung kam unerbittlich. Hatten schon die Ungarn bei ihren Überfällen keine Gnade gekannt, so waren die Bulgaren
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