Die Quelle
Grafschaft Gretsch, hatte herausgefunden, wo sein Graf war. Von ihm erhielt Volkmar endlich einen zusammenhängenden Bericht. Abermals war Volkmar entsetzt, als er den Mann sah - er war so mager, als habe er seit Monaten gehungert. »Kein ordentlicher Nachschub«, knurrte der Bauer. »Keine Zucht. Überall die Weiber im Weg. Nachts schliefen die Wachen mit ihnen. Gunther ließ seinen beiden Huren volle Verpflegung geben. Die Priester haben gebetet, wo wir Ritter gebraucht hätten.« Es war schrecklich, was der Bauer erzählte: »In der letzten Schlacht. bei Nicaea. so nannten die Priester die Stadt. da waren unsere wenigen Ritter großartig. Herr Gunther tötete. viele. wie viele.?« Voller Bewunderung berichtete der Bauer von dem Heldenmut des blonden Ritters. »Und dann. dann hieb er sich einen Weg durch die Reihen der Türken frei. und da ich ein Pferd hatte, konnte ich ihm nachreiten. Aber er war der Tapfere. Nicht ich.« Volkmar ließ dem Mann zu essen geben und fragte, warum die Türken so stark seien. Zu seiner Überraschung wurde der Bauer ganz aufgeregt: »Herr, die Türken können wir schlagen. Sie sind Krieger wie andere auch. Schnelle Pferde haben sie und gute Pfeile. Aber. Ich habe es doch gesehen. Hundert richtige Ritter. Ihr. Herr Gunther.« Er war so begeistert, daß er stotterte. Aber seine Augen leuchteten.
»Du denkst also, daß wir siegen können?« fragte Volkmar noch einmal. »Wir können. Das denkt auch Herr Gunther. Auf dem ganzen Weg nach der Schlacht hat er mir erzählt, wie wir beim nächstenmal kämpfen werden. Er kennt jetzt die Schwäche der Türken.«
»Warum aber seid ihr diesmal so furchtbar geschlagen worden?« fragte der Graf. »Weil wir keine kampferfahrenen Männer hatten, Herr. Nur Männer wie mich. und wir glaubten, Gott bahnt uns den Weg, gibt uns Nahrung. macht das Schwert der Feinde stumpf.« Er hob sein schmales Gesicht und sah mit ruhiger Zuversicht in Volkmars Augen. »Was wir zu unserem Vertrauen in Gott noch gebraucht hätten, waren Ritter wie Ihr, Herr, die uns führen.« Am nächsten Morgen rückten sie an - Ritter unter der Führung Hugos von Vermandois und harte, erprobte Kämpfer, geschart um Herzog Gottfried von Bouillon. Es folgten die zähen Normannen mit ihrem Herzog Robert und die eisernen französischen Söldner unter Stephan von Chartres. In allen Straßen Konstantinopels klirrten die Waffen. Das war kein Pöbel, angeführt von einem barfüßigen Priester auf einem Esel. Das war das mächtigste Heer, das jemals am Rande Europas sich gesammelt hatte. Und seine Führer waren Männer, die wußten, was sie wollten. Wenn sie beieinander saßen im Kriegsrat, hörten sie sich aufmerksam auch die kleinste Einzelheit an, die Gunther von seinen Kämpfen mit den Türken zu berichten wußte. Manche waren erschreckt von dem, was Gunther erzählte. Die meisten aber zeigten Vertrauen. Und alle stimmten Gunther zu, als er nüchtern zusammenfaßte: »Zucht und Ordnung müssen wir halten. Das Heer muß zuschlagen, wo es befohlen wird. Und die Besten müssen in der Nachhut reiten - denn dort greift der Türke am liebsten an.«
Am 24. Mai 1097, zwölf Monate nach seinem Aufbruch von Gretsch, überquerte Graf Volkmar, begleitet von seiner Frau, seiner Tochter und seinem Kaplan Wezel, den Bosporus. Der wirkliche Kreuzzug hatte begonnen. Während der Graf in dem kleinen Boot saß, bereit, als erster hinauszuspringen auf den Kampfplatz des Heiligen Krieges, dachte er: Es ist sonderbar. Seit einem Jahr kämpfe ich schon und habe doch noch immer keinen einzigen Heiden gesehen. Wir haben so viele erschlagen, und alle waren sie Christen. alle. außer den dreißigtausend Juden.
Angewidert von diesen Erinnerungen, wandte er sich plötzlich Wezel zu und rief: »Guter Priester, segne die Vollendung unseres Unternehmens, denn wir haben einen so jämmerlich schlechten Anfang gemacht.« Und der rothaarige Ritter mit den mächtigen Schultern und dem breiten Nacken, der seinen Gott suchte, kniete im Boot nieder. Neben ihm knieten seine Frau Mathilda und seine Tochter Holda. An diesem Abend schrieb Wezel von Trier nieder, wie der Kreuzzug am Rande Asiens begann:
»Während das Meer uns umgab, knieten mein Herr Volkmar
und seine Frau nieder, und ich flehte auf sein Haupt den
Segen Gottes herab, indem ich sprach: >Dies ist Dein
ehrlicher Knecht Volkmar von Gretsch, der aufgebrochen ist, um Dein Gebot zu erfüllen. Segne ihn. Mache seine Arme stark und bringe ihn vor die Tore Jerusalems,
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