Die Quelle
mir von allen Städten Israels die liebste« -, als Tabari zu ihm trat, auf die riesigen Mauern hinunterdeutete und sagte: »Als König Richard Löwenherz 1189 beim Tell sein Feldlager aufschlug, um Saint Jean d’Acre zu nehmen, das nun wieder Saladins Sarazenen besaßen, lagen hinter den Mauern verdammt wenig Araber, die ihn daran zu hindern versuchten.«
»Nanu«, sagte Cullinane. Er kannte die Geschichte des Heiligen Landes. Aber davon hatte er noch nie etwas gehört. Ob sich Tabari nicht irrte? »Laß uns ins Cafe gehen«, schlug der Araber vor. Er führte seinen Freund an einen Ort, wo man schon vor mehr als zwei Jahrtausenden Getränke an durstige
Männer ausgeschenkt hatte, und bat den Kellner um eine Flasche Arrak. Während Tabari zwei Gläser der klaren, anisgewürzten Flüssigkeit eingoß, sagte er: »Die Kreuzfahrer haben Saint Jean d’Acre an die zweihundert Jahre gehalten, aber während dieser Zeit nur selten gegen Araber gekämpft. Denn kurz bevor die Christen kamen, waren hier die Türken eingedrungen und hatten uns ziemlich übel mitgespielt. Und deshalb sind es eigentlich immer die Türken gewesen, die ihr bekämpft habt, und nie die Araber. Und wir Araber haben, genau besehen, euch immer viel nähergestanden als den Türken, wenn man etwas so Unwesentliches wie die Religion einmal außer acht läßt. Ein vernünftiges Bündnis hätte so aussehen müssen: die gedemütigten Araber mit den Christen gegen diese Emporkömmlinge von Türken.« Er schüttelte betrübt den Kopf über diese verlorene Chance. Was er dann sagte, war für Cullinane nicht minder überraschend: »Vermutlich weißt du, daß wir Araber wiederholt versucht haben, ein solches Bündnis zu schließen.«
»Ich habe daran nie recht geglaubt.«
»Wir haben es versucht. Wiederholt.«
Cullinane goß etwas Wasser in seinen Arrak und sah mit Vergnügen zu, wie sich die klare Flüssigkeit in ein milchiges Weiß verwandelte. Tabari rief den Kellner herbei und erklärte mit übertrieben simplen Worten, wie man sie wohl bei einem etwas schwachsinnigen Kind benutzt: »Mein Freund ist Amerikaner. Und Sie wissen, Amerikaner brauchen Eis. Stehen Sie nicht da wie ein Trottel. Holen Sie etwas Eis für den Amerikaner.«
»Wir haben kein Eis.«
»Dann besorgen Sie welches«, schrie Tabari. »Er ist Amerikaner!« Jetzt wandte er sich wieder Cullinane zu. »Als eure Kreuzfahrer endlich Antiochia eingenommen hatten, waren sie höchst überrascht, daß sich dort Abgesandte der
Araber einstellten und ein Bündnis gegen die Türken vorschlugen.«
»Und warum ist daraus nichts geworden?«
Tabari trommelte mit den Fingern auf die alte Tischplatte und meinte dann, etwas vorsichtig nach Worten suchend »Wenn man einmal ein Unternehmen als Heiligen Krieg erklärt hat, dann. dann begibt man sich jeden klaren Urteils über ehrliche Alternativen.« Er stockte und blickte zu der Moschee hinüber, die da so schön vor den Palmen stand.
Cullinane war nachdenklich geworden. Über wie vieles hätte er nach diesen Worten mit Tabari reden können! Wollte sein arabischer Freund wirklich behaupten, daß die Kreuzfahrer im Oktober 1097 als sie vor Antiochia lagen, in ihrem christlichen Eifer die tatsächliche Lage überhaupt nicht übersehen konnten? Nicht anders als im Jahre 1964 die Araber der Staaten rings um Israel, die zu verrannt waren in ihre Idee eines Dschihad, eines Heiligen Krieges, als daß sie nüchtern anerkannt hätten, was nun einmal Tatsache war: daß Israel als unabhängiger Staat existierte? Oder wollte Dschemail die Juden hintenherum eines Irrtums bezichtigen, den sie noch gar nicht begangen hatten: einen auf der Religion basierenden Staat mit so riesigen Scheuklappen aufzubauen, daß sie nicht sehen konnten, wie es in der Welt wirklich zuging? Oder meinte er den die ganze Erde einbeziehenden Glaubenskrieg, von dem sie manchmal gesprochen hatten: den ideologischen Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion? Konnten nicht auch die USA und die UdSSR das gleiche Brett vor dem Kopf haben wie einst die Kreuzfahrer - unfähig sein, die Dunstschwaden zu durchdringen, die sie selbst um sich verbreitet hatten? Das alles waren zwar nicht die Fragen, die Cullinane im Moment erörtern wollte. Aber man mußte wohl später einmal darüber reden. Im Augenblick war er lediglich an der wahren Geschichte von Saint Jean d’Acre während der
Kreuzzüge interessiert und nicht daran, was hätte sein können. Er war daher dankbar, als der Kellner mit
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