Die Quelle
denn sein ganzer Wunsch ist, Dir beizustehen und Deine Feinde zu vernichten. Amen.< Und als das Boot an Land lief, sprang mein Herr Volkmar an den Strand, hob sein Schwert über das Haupt und rief: >Herr, mach mich würdig Deines Heiligen Landes.<«
Gunther kümmerte sich nicht um den Segen. Denn vor neun Monaten war er ganz ähnlich auf den Strand gesprungen, brennend vor gleichem Eifer. Diesmal blieb er am Heck des Bootes sitzen und machte ein paar Französinnen den Hof, die er im Feldlager Hugos, des Prinzen von Frankreich, kennengelernt hatte.
...Der Tell
Wann immer John Cullinane irgendwelche schwierigen Probleme zu lösen hatte, die mit seiner Ausgrabung zusammenhingen, fuhr er nach Akko. Hier fand er die nötige Muße zum Nachdenken. Besonders gern verbrachte er die Morgenstunden in der schönsten Moschee Israels, dieser entzückenden mohammedanischen Enklave im jüdischen Staat. Er erfreute sich immer wieder an dem so friedlichen Innenhof mit den zahlreichen Dattelpalmen und Hibiskussträuchern. Sechs riesige Säulen, von irgendeinem Türken im 18. Jahrhundert aus den römischen Ruinen Caesareas hierher verschleppt, ließen den Hof noch anziehender erscheinen. Auf dem Platz vor der Moschee stand ein halbes Hundert kleinerer Säulen, ebenfalls aus Caesarea, und in dem farbenprächtigen Gebäude selbst gab es noch mehr. Cullinane mußte öfter daran denken, daß König Herodes diese Säulen ganz sicher gesehen hatte zu der Zeit, als Caesarea eine blühende Stadt war. Die zarte Schönheit der Moschee von Akko zog Cullinane immer aufs neue in ihren Bann. Wenn er all das, was es an alten jüdischen und christlichen Bauten in Israel gab, an seinem inneren Auge vorüberziehen ließ - angefangen bei der herrlichen Ruine der Synagoge von Kefar Birim bis zu der hochragenden Franziskanerkirche auf dem Berg Tabor -, dann war doch diese Moschee der Moslems für ihn der Quell reinster Freude. Vielleicht kam dieses Gefühl nicht zuletzt daher, daß er meist Dschemail Tabari mitnahm. Dieser liebte ganz offenbar die Moschee nicht minder. Wenn er hier war, schlenderte er gern im Innenhof umher und gab seine beißenden Kommentare von sich, die Cullinane jedesmal entzückten. »Komm mal hierher«, meinte der Araber eines Tages. »Wenn du nämlich hier so zwischen den Dattelpalmen und Säulen stehst, kannst du dir glatt einbilden, du lebst unter Arabern. Habe ich nicht recht? Nun. als ich im zweiten Jahr in Oxford war, habe ich ziemliches Aufsehen mit einer. na ja. doch wohl etwas konfusen Theorie erregt, über die du nachdenken solltest. Ich habe damals - halb Phantasie war’s und halb Geschichte - die These aufgestellt, daß die Kreuzfahrer ihren Untergang dadurch besiegelten, daß sie es unterlassen haben, ein Bündnis mit den Arabern abzuschließen. Alle in Oxford dachten wie du, Cullinane. Sie glaubten, Richard Löwenherz hat seine Schlachten gegen ritterliche Araber aus der Wüste geschlagen. Und deshalb waren sie ziemlich gekränkt, als ich ihnen sagen mußte, daß Saladin nicht einmal zu einem Zehntelprozent Araber gewesen ist.«
»Ich habe auch geglaubt, er ist richtiger Araber gewesen.«
»Reiner Kurde«, sagte Tabari ohne weiteren Kommentar. Denn nun palaverte er auf Arabisch mit dem Aufseher der
Moschee, der die beiden Archäologen schließlich in das Minarett eintreten ließ. Auf der engen, dunklen Wendeltreppe kletterten sie empor zu der Plattform, von der sie die zeitlose Schönheit dieser uralten Stadt vor sich ausgebreitet sahen. Cullinane konnte kein Wort herausbringen, er konnte nur dastehen und hinunterschauen auf das Heilige Land. Die Wehrmauer der Stadt, einst stellenweise so breit, daß zehn Streitwagen nebeneinander Platz gefunden hätten, war zu den Zeiten der Kreuzritter von zweiundzwanzig Türmen überragt; von einigen konnte man noch die Fundamente erkennen. Im Osten erhob sich schweigend der Tell des prähistorischen Akko, von dem aus Napoleon vergeblich versucht hatte, die Stadt zu nehmen. Dieser Tell war bislang noch unerforscht. Er hütete die Geheimnisse der letzten fünftausend Jahre. Weiter im Osten lag Tell Makor, zwei klaffende Wunden in den Flanken - Suchgräben, mit denen neugierige Archäologen in sein Innerstes drangen. Im Westen dehnte sich das Mittelmeer, über dessen Wogen Phönizier und Griechen, Römer und Engländer gezogen waren.
Cullinane wollte gerade eine übertrieben enthusiastische Bemerkung von der Art machen, wie Archäologen sie vermeiden sollten - etwa »Akko ist
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