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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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nennt man den Berg«, sagte der Graf, »und ich wünschte nur, unser Haus hätte diesen Namen niemals gehört.« Seine Ritter bekreuzigten sich, denn von den zwölf Männern aus Ma Cœur hatte jeder in der großen Schlacht dort einen Vorfahren verloren, und manche, wie Volkmar, vier: Ururgroßväter, deren Brüder und Söhne und Schwäger und so manchen Braven - Männer, die, wären sie am Leben geblieben, das christliche Königreich Jerusalem hätten retten können. »Im Juli 1187 war es, vor mehr als hundert Jahren«, erzählte Volkmar seinem Sohn. »Sultan Saladin war in Tabarie und hatte dort alles, was er nur brauchte, Mauern, Wasser, alles. In Ma Cœur waren der König und die besten Ritter jener Zeit. In unserer Halle begann es. Was hättest du getan, Volkmar? Du sitzt hinter den sicheren Mauern deiner Burg. Mit Tausenden starker Männer und mehr als genug Waffen. Mit Wasser und Nahrung. Um dich zu besiegen, müßte Saladin seine Mauern und sein Wasser verlassen, hier diesen Berg hinauf und weithin über die Ebenen ziehen, durch die wir gerade gekommen sind, und dann gegen dich in deiner Burg anstürmen. Was würdest du tun?«
    »Ich würde eine Menge Nahrung in der Burg zusammentragen und warten«, antwortete der Knabe. »Bei Gott!« rief der Graf und schlug sich auf die gepanzerte Brust. »Ein Kind begreift das. Aber was haben diese Narren aus der Umgebung des Königs vorgeschlagen? Daß wir unsere sicheren Burgen verlassen. Daß wir uns von unseren Wasser-und Verpflegungsvorräten trennen, mitten im heißesten Sommer unsere schweren Rüstungen anlegen und hierher ziehen, um gegen Saladin an einer Stelle zu kämpfen, die er selbst sich ausgesucht hatte.«
    »Genau das war es, was sie damals getan haben«, murmelte einer der Ritter und blickte über das Land, das kaum wie ein Schlachtfeld aussah. »Volkmar und seine Mannen haben gegen diesen Wahnsinn gestimmt«, fuhr der Graf fort. »In unserer großen Halle gab es lärmenden Zank. Und nachdem dein Ururgroßvater erklärt hatte, daß es eine Leichtigkeit für Saladin sei, die Kreuzritter zu schlagen, wenn sie unsere Burg verlassen und bei den Hörnern von Hattin gegen ihn antreten, da war es Reynald von Chätillon...« Der Graf von Ma Cœur senkte den Blick und sagte mit unterdrücktem Zorn: »Gott verdamme seine erbärmliche Seele. Gott verfluche ihn auf immer und ewig in die Hölle.« Dann ergriff er die Hände seines Sohnes und sagte: »Am folgenden Morgen ritten Volkmar IV. und sein Sohn in die Schlacht. Beim Abschied sagten sie ihren Frauen, daß sie nicht zurückkehren würden.« Ernst blickten die Nachkommen der Streiter von damals auf die Felsen. Keiner sagte ein Wort.
    »Haben sie hier gekämpft?« wollte der Knabe wissen, denn ihm gefiel das ein wenig abfallende Feld mit dem schützend darüber wachenden Felsen und dem schönen Ausblick auf den See.
    »Man nennt das wohl Kämpfen. Zwanzigtausend Kreuzfahrer verließen Ma Cœur am 3. Juli, dem heißesten Tag des Jahres, und in voller Rüstung - viel schwerer war sie als unsere heutzutage - zogen sie bis zu dieser Stelle, ohne Wasser zu finden. Hier aber standen mehr als hunderttausend Männer Saladins und warteten. Wir hatten tausend Berittene, er zwanzigtausend. Am Abend vor der Schlacht waren die Unsrigen fast verdurstet. Dort drüben gab es einen Brunnen, aber sie fanden ihn nicht. Der Mond schien auf den See, sie konnten das Wasser sehen. Es trieb sie zum Wahnsinn. Saladin wußte es. Deshalb setzte er die Felder in Brand. Feuerfunken und Rauch trieben zu unseren Leuten herüber und quälten sie noch mehr. Bei Tagesanbruch begann der Sultan das Netz zuzuziehen. Es war die schlimmste Schlacht, die je in diesem Land geschlagen worden ist. Grauenhaft. grauenhaft.«
    »Warum haben die Unseren so etwas getan?« fragte der Knabe. »Weil die Narren an der Reihe waren, uns zu führen«, erwiderte Volkmar. »Wir haben Tabarie und Galilaea und Jerusalem und Ma Cœur verloren und schließlich auch Saint Jean d’Acre.« Er wandte sich ab und starrte auf die Berge. »Wir haben viel verloren«, murmelte er vor sich hin. »Später haben wir dann Ma Cœur und Acre zurückerobert. Aber Jerusalem war für immer verloren. Und jetzt senkt sich die Dämmerung noch tiefer herab.« Er sang leise die Melodie eines Kirchengesangs vor sich hin: »Tenebrae factae sunt -Das Todesdunkel senkt sich nieder.«
    Volkmar hörte, wie hinter ihm die Ritter mit seinem Sohn sprachen: »Graf Volkmar durchbrach den eisernen Ring. Er

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