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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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nicht das, was wir schon längst hätten tun sollen: Nie sind wir eine Seemacht geworden mit eigenen Schiffen, denn wir waren immer von den Venezianern und den Genuesern abhängig, die uns bis zum Weißbluten ausgesogen und betrogen haben, wann immer sie konnten. Und wir haben uns nicht mit den Arabern verbündet, so daß ihr und unser Land eines wurde. So hat sich schließlich Syrien mit Ägypten zusammengeschlossen, und wir standen allein in unserem kleinen Reich, umgeben von Feinden und im Rücken das Meer. Graf Volkmar gedachte des Ruhmes, der so jämmerlich vertan war, und er dachte an die Männer, die Großes im Auge gehabt hatten, an Männer wie Volkmar von Zypern. Aber immer, wenn solche Männer eine vernünftige Lösung gefunden hatten, waren irgendwelche neuen Narren aus Europa gelandet, hatten die Araber erschlagen und das zerstört, was die Klugen mühselig aufzubauen versucht hatten.
    Der Graf schnalzte mit den Fingern. Der mohammedanische Aufseher eilte herbei. Volkmar sagte, sich halb entschuldigend: »Ich habe ein wenig nachgedacht.« Der Moslem zuckte die Achseln. Da ist er, der Widersinn! ging es Volkmar durch den Kopf, als sich der Mann entfernte. Nie zuvor ist es mir so klargeworden. Wir brauchten Siedler aus Europa. Bauern. wir konnten ohne sie nicht bestehen. Aber alles, was wir bekommen haben, waren Krieger, und sie brachten unsere besten Freunde um, von denen wir abhängig waren. Vorbei. Er seufzte traurig und rief seine Männer zusammen. An den See Genezareth sollte es nunmehr gehen. Als sie die Pferde sattelten, sagte er: »Wir sind dreizehn - die Zahl derer, die mit unserem Heiland das letzte Abendmahl nahmen.«
    Bevor Volkmar und seine Mannen Cefrequinne verließen, knieten sie an der heiligen Stätte nieder, ohne zu wissen, daß das wirkliche Kana, die Stadt, in der Christus Sein Wunder gewirkt hatte, sieben Meilen nordwestlich an einer Stelle lag, die nur die Schakale kannten. Denn im Jahr 326, als Kaiserin Helena, die Mutter Konstantins, ins Heilige Land gekommen war, um all die Orte festzulegen, an denen sich Christi Leben abgespielt hatte, war selbst der Name Kana bereits völlig vergessen. Auf ihre Fragen hatten gutmütige Bauern von Nazareth ihr ein Dorf gezeigt und gesagt: »Das ist Kana.« Und seitdem war dieses Dorf eben Kana. Das Lager Christi aber und die Wasserkrüge - sie waren nichts als Erfindungen der Mohammedaner, die sich damit ihr Geld von den Wallfahrern verdienten. Wie hier, so waren die Kreuzfahrer und vor ihnen die Pilger an vielen anderen Stellen des Heiligen Landes betrogen worden. Aber sie hatten nie die Wahrheit erfahren, und so waren sie auch nie in ihrem Glauben an die Heiligkeit der Stätten und Reliquien wankend geworden. Und wenn Volkmar und die Seinen jetzt auch in einem falschen Kana beteten, so beteten sie doch zu dem wahren Heiland.
    Für einige Stunden führte der Ritt ostwärts, durch Brachland. Wo der Boden freilag, sah er feucht und dunkel aus - ein Boden, der reichlich Nahrung gibt. Noch immer war der Weg von Blumen gesäumt, von purpurnen Disteln, weißen Tausendschönchen, blauen Primeln. Es war ein Land hinreißender Schönheit, geschaffen, das Geburtsland eines Erlösers zu sein. Und nun riefen die an der Spitze Reitenden: »Der See!«
    Es war der See Genezareth - damals nannte man ihn lateinisch »Mare Tyberiadis«. Tief eingebettet lag er zwischen den Hügeln, deren Rot und Braun sich auf seiner Oberfläche spiegelte, zusammen mit dem Blau des Himmels - einem tiefen, lebendigen Blau, das die Herzen aufjubeln ließ. Dann wieder schimmerte das Wasser rötlich oder dort, wo Bäume standen, grün. Immer aber waren seine Farben in fließender
    Bewegung. Ein schöneres Gewässer konnte man sich auf Erden nicht denken.
    »Das ist der See Jesu«, erklärte Volkmar seinem Sohn, der hinabsah auf das Wasser, über das der Heiland gewandelt war. »Im Norden liegt Kapernaum; dort reiten wir später hin. Die Stadt mit der Burg ist Tabarie. Einst gehörte sie der Familie deines Oheims; jetzt haben die Mamelucken sie.« Lange blieben die Männer auf ihren Pferden sitzen und betrachteten das unvergleichliche Bild, das zu sehen ihnen für so viele Jahre durch die türkischen Eroberer verwehrt gewesen war.
    Der kleine Volkmar wollte gern hinab nach Tabarie reiten, denn die ummauerte Stadt sah einladend aus. Aber sein Vater bedeutete ihm, er müsse noch eine Weile warten. Erst gehe es nach Norden, zu einem seltsamen Berg mit zwei Kuppen. »Die Hörner von Hattin

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