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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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sollte von stürmender Hand fallen.
    Es war faszinierend, auf entsetzliche Weise faszinierend, wie die erste hölzerne Schildkröte sich vorwärtsschob, um ihre nächste Aufgabe zu erfüllen. Sie kroch heran, bis die Männer unter ihr den Turm berühren konnten. Von oben fielen schwere Steine, aber das Dach der Schildkröte war so abgeschrägt, daß die Steine darüber hinwegglitten und die Männer daneben töteten, nicht die darunter. Griechisches Feuer wurde herabgeschüttet, aber die Mamelucken hatten das Dach der Schildkröte mit blutigen Tierhäuten bedeckt, und so geriet das Holz nicht in Brand - die Flammen wurden mit Essig gelöscht. Als die Schildkröte die vorgesehene Stellung eingenommen hatte, spannte man zwischen ihr und einem der großen
    Angriffstürme Seile, die den Wandelturm, der zudem von hinten geschoben wurde, Zoll um Zoll genau vor den Bergfried zogen. Ein Krachen. Schreien. Ein Ruf: »Hierher!« Die Kreuzfahrer stürmten davon, um die Mamelucken aufzuhalten, die in den Turm eingedrungen waren - zwanzig, vierzig hatten sich vom Wandelturm auf den Bergfried herabfallen lassen.
    »Sichert das Tor!« schrie Volkmar. In einem wilden Kampf Mann gegen Mann wurden alle dreiundvierzig Mamelucken erschlagen. Der Bergfried war noch einmal gerettet, und auch diesmal konnte man um Mitternacht die Feuer von Ma Cœur in Acre sehen, wo die Menschen für die Verteidiger der Burg und für ihre eigene Rettung beteten.
    Noch ehe der Morgen dämmerte, hatten die Kämpfer von Ma Cœur den Wandelturm zurückgestoßen und in Brand gesteckt; er fiel im Burghof in sich zusammen, seine Trümmer erschlugen viele Sklaven. Beim ersten Tageslicht jedoch rückten die Mamelucken mit zwei neuen Schildkröten vor; sie schleppten zwei weitere Türme an den Bergfried heran. Ein Angriff erfolgte nicht, denn die Schildkröten krochen an der Mauer entlang weiter zu anderen Stellen, an die sie noch drei weitere Wandeltürme zerrten, so daß der Bergfried eingeschlossen war. »Von allen Seiten kommen sie«, rief der junge Volkmar, jedoch eher mit dem Interesse eines Jungen für mechanische Dinge als aus Furcht. Der Burgkaplan sah auf die unheimlichen Türme und wußte, daß dieser Tag das Ende der Belagerung bringen würde. Deshalb rief er den Grafen mit seiner Familie und die Ritter, die noch am Leben waren, mit ihren Frauen hinauf zum höchsten Zinnenkranz. Von hier oben blickten sie auf die Felder von Galilaea, die im Schmuck der Frühlingsblumen grün und rot und golden leuchteten. Silbergrau schimmerten die Ölbäume, unter denen die Mamelucken unzählige Zelte aufgeschlagen hatten, und in der Ferne, jenseits der Türme und Minarette von Acre, glänzte blau das Mittelmeer. Es war ein herrlicher Tag im April - ein Tag, wie er die Herzen der Menschen in diesem Land noch immer froh gestimmt hatte. Und der Priester sprach: »Geliebte Kinder in Christo. Wir haben den Tag erreicht, an dem wir vor das Angesicht Gottes treten werden. Wir haben einen guten Kampf gekämpft. Wir sind Kreuzfahrer im wahren Geiste gewesen, und wenn unter euch einige sind, die fragen: >Warum hat uns dieses Unglück heimgesucht?<, so kann ich es nicht erklären. Aber vor vielen Jahrhunderten hat ein großer Mann, der heilige Augustinus, in einer ähnlich schlimmen Zeit also zu allen gesprochen, die es nicht verstanden: >Die Welt ist wie eine Ölpresse, und die Menschen stehen immer unter ihrem Druck. Wenn ihr Bodensatz seid, so werdet ihr durch den Abfluß hinweggeschwemmt. Wenn ihr das echte Öl seid, so bleibt ihr in dem Gefäß. Aber ihr werdet ausgepreßt - es ist unabänderlich. Sehet den Bodensatz, sehet das Öl und wählet, denn Druck ist in der ganzen Welt: Krieg, Belagerung, Hunger und die Wirren der Staaten. Wir kennen alle die Menschen, die unter diesem Druck stöhnen und klagen, aber sie reden wie der Bodensatz des Öls, der später hinweggeschwemmt wird. Ihre Farbe ist schwarz, denn sie sind feig. Sie haben keine Seelengröße. Aber es gibt eine andere Art von Menschen, die das Große lieben. Sie stehen unter demselben Druck, aber sie klagen nicht. Denn die Spannung macht sie glatt. Es ist der Druck, der den Menschen veredelt.<« Nachdem der Priester geendet hatte, gingen Volkmar und die Ritter gefaßt an ihre Plätze. Jetzt hob der Mameluckenfeldherr seinen Elfenbeinstab zum letzten Angriff auf Ma Cœur. Er brachte neuen Schrecken, auf den die Kreuzfahrer nicht vorbereitet waren. Die Schleudern und Satansmaschinen kannten sie. Als die Scheitans

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