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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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brennende Reisigbündel auf die Zinnen warfen, stieß Graf Volkmar mit seinen Männern die Glut wieder hinab. Aber nun begann das Neue: Nahezu hundert Trommler hatte der
    Feldherr zusammengezogen, und im gleichen Augenblick, in dem die Mamelucken zum Sturm ansetzten, erdröhnten mit einem Schlag alle hundert Trommeln zugleich. Ihr wilder Rhythmus feuerte die Angreifer an. Den Verteidigern kündigte er das Unausweichliche an. Und von der inzwischen eingenommenen Basilika läuteten die Glocken, den Christen zum Hohn. Beim ersten Aufdröhnen der Trommeln eilte Graf Volkmar dorthin, wo der Priester die Frauen um sich gesammelt hatte, beugte das Knie und rief: »Guter Pater, segnet uns jetzt.« Und über dem Grollen der Trommeln und dem Läuten der Glocken erhob der Priester seine Stimme zum letzten Segen: »Jesus Christus, unser aller Erbarmer, nimm unsere Seelen gnädig auf. Wir waren in unserer Burg eine Familie Gottes, und jeder hat seinem Bruder vertraut. Wir haben gekämpft, so gut wir konnten, und in unserer letzten Stunde finden wir aneinander Trost. Du unser Heiland Jesus Christus, nimm uns zu Dir, wie wir sind.« Ein Schrei: »Sie sind da!«
    Der Kampf wurde fürchterlich. Alle fünf Wandeltürme wimmelten von Bogenschützen, die auf die Kreuzritter schossen, manchmal nur aus wenigen Zoll Entfernung. Und wie wilde Tiere sprangen, berauscht vom Dröhnen der Trommeln, Mamelucken, das Krummschwert in der Faust, von den Türmen auf die Wehrplatte. Gefangene wurden nicht gemacht, nicht einmal die Frauen geschont, um sie als Sklavinnen zu verkaufen. Denn der Feldherr hatte beschlossen, diese Burg, die sich ihm so lange widersetzt hatte, mit allem, was in ihr lebte, vom Erdboden verschwinden zu lassen.
    Graf Volkmar wäre es lieber gewesen, im Kampf Mann gegen Mann auf den Zinnen zu fallen. Aber die wie die Teufel kämpfenden Mamelucken drängten ihn hinab. Wie rasend dröhnten jetzt die Trommeln. Volkmar fand seine Frau. Ganz ruhig war sie, ihre Hand hielt die des Sohnes, damit er nicht am Kampf teilnehmen konnte. »Laß den Jungen mit mir kämpfen«, rief der Graf und beugte sich nieder, um einem gefallenen Ritter das Schwert aus der Hand zu nehmen. In diesem Augenblick stürmten drei Mamelucken in den Raum. Noch ehe Graf Volkmar sich wehren konnte, hatten sie ihn niedergestochen. Sein schneller Tod ersparte ihm den Anblick des Gemetzels an seiner Frau, an seinem Sohn, an all den Frauen, die eine nach der anderen umgebracht wurden. Jetzt kletterten die ersten Trommler auf die Wandeltürme und von dort auf den Bergfried. Triumphierend verkündeten die Trommeln den Sieg, wild läuteten die Glocken dazu. So endeten die Kreuzzüge in Ma Cœur. Mit Blut und Eisen waren die Ritter aus Deutschland gekommen, und in Blut und Eisen gingen sie unter.
    Um Mitternacht erlaubte sich der kleine dicke Feldherr einen grimmigen Scherz: Er ließ das Feuer von Ma Cœur anzünden. Es brannte wie jeden Tag zuvor, und in Acre sah man es voll Hoffnung: »In Ma Cœur alles wohlauf!« Am nächsten Morgen aber befahl der Feldherr, Ma Cœur zu schleifen. »Hier soll uns kein Turm mehr behelligen.« Die Sklaven begannen, die Mauern und Türme abzutragen, Stein um Stein. Wozu Gunther von Köln Jahre gebraucht hatte, das wurde nun in Tagen niedergerissen. Und während die Sklaven noch am Werk der Zerstörung waren, setzte der Feldherr die Wurfmaschinen und die Katapulte, die Schildkröten und die Wandeltürme nach Westen in Marsch, vor die Mauern von Saint Jean d’Acre, wo die Sklaven ihre Wühlarbeit geduldig wiederaufnahmen, bis das unterirdische Klopfen unheimlich durch die Stadt hallte. In Ma Cœur sollte kein Stein auf dem anderen bleiben. So hatten die Sklaven fast ein Jahr lang zu arbeiten. Viele der großen Steine schaffte man fort zum Bau neuer Mameluckenburgen, die kleineren karrte man in die Umgebung. Der Brunnenschacht wurde aufgefüllt. Bald gab es keinen Turm mehr, keine Mauer, die anzeigte, wo die Burg gestanden hatte. Die Sklaven zogen schließlich ab. Öde und verlassen war der Ort. Die einst so fruchtbaren Felder lagen brach und blieben es; die alten Ölbäume wurden nicht mehr gepflegt, und kein Mensch lebte mehr dort, wo seit so langer Zeit eine Stadt gewesen war.
    Auf seiner alljährlichen Reise kam Musaffar, ein einarmiger Araber, der noch immer mit seinen Karawanen von Damaskus aus Handel trieb, im Winter 1294 am Hügel von Ma Cœur vorbei. Er erkannte ihn kaum, denn Galilaea war von Schnee bedeckt. Er fand die Stelle nur

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