Die Quelle
deshalb für sie ein erregender Augenblick, als der stattliche, nach zwei Jahren Kerker noch immer kräftige Mann von fünfzig Jahren in die Folterkammer taumelte, aber sofort auf die Füße kam und sich in trotzig ruhigem Hohn vor dem verhörenden Priester aufstellte.
»Bist du geständig, Diego Ximeno?« fragte der Priester. Der Gefangene sah den Dominikaner voller Verachtung an, worauf der Priester, der diesen Blick oft genug zu Beginn der Verhöre erlebt hatte, nie jedoch an ihrem Ende, zum Arzt sagte: »Der Gefangene weigert sich zu sprechen. Ist er zur Befragung geeignet?« Der Arzt betrachtete Ximeno und dachte:
Hochmütig, kräftig, gesund - bei dem wird es wohl einige Zeit dauern.
Der Arzt nickte dem Schreiber zu, der vor dem Priester saß, die Geständnisse zu Protokoll zu nehmen und schriftlich zu bestätigen hatte, daß in der Folterkammer alle menschenfreundlichen Schutzmaßnahmen beachtet wurden. »Schreibe«, befahl der Priester, »daß der Gefangene als zur Befragung geeignet befunden wurde.«
Und schon gab der Dominikaner den Folterknechten ein Zeichen. Blitzschnell packten sie Ximeno, rissen ihm die Kleider vom Leib, banden ihm die Hände auf den Rücken, befestigten Gewichte von je zwanzig Pfund an seinen Fußknöcheln und zogen ihn mit einem dicken Seil, das um seine Handgelenke geschlungen wurde, hoch hinauf bis an das Gewölbe. Von unten her schrie ihm der Vormann der Folterknechte zu: »Du wirst schon singen, Ratsherr.« Fast eine Stunde ließen sie ihn hängen - die vom Rücken her nach oben verdrehten Arme zogen unter fürchterlichen Schmerzen langsam die Gelenke aus den Pfannen. Nahezu unerträglich wütete der Schmerz im ganzen Körper. Der Dominikaner, der sah, wie der Gefolterte litt, meinte, nun sei er wohl bereit zu reden. Er trat unter ihn und rief: »Diego Ximeno, bist du jetzt geständig?« Da Ximeno noch immer keine Ahnung hatte, wessen man ihn im einzelnen anschuldigte, ertrug er seine Qual schweigend.
»Diego Ximeno«, sagte der Priester in bittendem Tonfall, »falls du gegenwärtig leidest, glaube mir, daß dies nur ein Anfang ist. Ich bitte dich, gestehe deine Schuld, oder ich muß dich weiter befragen.« Wieder gab der Gefangene keine Antwort. Der Richter kehrte zu seinem Sitz zurück und wies seinen Schreiber an, die Tatsache zu protokollieren, daß dem Beschuldigten Begnadigung angeboten worden sei.
Plötzlich und mit schreckenerregendem Gebrüll ließen die Folterknechte das Seil, an dem Ximeno hing, ablaufen, so daß der Gemarterte tief durchfiel, und hielten es dann mit einem Ruck an, der alle seine Gelenke zerriß: die Handgelenke, die des Ellbogens und die der Schulter, die Fußgelenke, die der Knie und der Hüfte. Noch ehe Ximeno sich der neuen rasenden Schmerzen bewußt werden konnte, hievten die Knechte ihn wieder zur Decke empor zu weiterer, schlimmerer Qual: Manchmal ließen sie unter Gebrüll das Seil ablaufen, dann wieder brüllten sie, ohne es zu tun - nur um den Gemarterten zu erschrecken. Manchmal ließen sie ihn ohne das ankündigende Geschrei nur um wenige Zoll durchfallen, dann wieder hinabstürzen bis fast zum Boden unter entsetzlichsten Schmerzen in den ausgerenkten Gliedern.
So lange trieben sie es, bis Ximeno nichts mehr spürte und dem Dominikaner, als der ihn aufforderte, geständig zu sein, nicht einmal mehr zuhörte. Das Seil wurde deshalb losgelassen. Der Gefangene fiel zu Boden. Aber schon warf man ihn auf einen Tisch zu einer völlig anderen Art der Tortur. An den Händen aufhängen und fallenlassen - das bewirkte einen reißend wilden Schmerz. Aber Männer wie Ximeno mochten willensstark genug sein, solchem körperlichen Schmerz zu widerstehen. Anders die Folter, die ihm nun bevorstand: Sie war eine nicht minder grausame körperliche Qual, mehr aber noch psychologischer Art, und die meisten erlagen ihr.
Quer über die Mitte des Tisches, auf den man ihn gelegt hatte, war eine kleine blockartige Erhebung angebracht, so daß Ximenos Rücken stark durchgedrückt und sein Bauch straff gespannt war. Jetzt steckten ihm die Folterknechte einen Trichter in den Mund, einer hielt ihm die Nase zu, und dann gossen sie aus einem Krug Wasser in den Trichter - immer mehr Wasser. Keuchend rangen Ximenos Lungen nach Luft, während er das Wasser würgend und gurgelnd schluckte. Qualvoll, zermürbend war diese Folter.
Bevor die Knechte zum zweiten Krug griffen, trat der Priester an den Tisch und forderte den Gefangenen auf (bittend wie immer klang seine
Weitere Kostenlose Bücher