Die Quelle
Stimme), Widerruf zu leisten. »Die Folter wird sofort beendet«, versicherte der Dominikaner seinem Opfer. Aber Ximeno schwieg, offenbar entschlossen, lieber zu sterben. Der Priester wandte sich ab, der Protokollführer vermerkte, daß der Inkulpat das ihm gnädig gemachte Angebot abgelehnt habe.
»Jetzt wirst du singen«, höhnten die Folterknechte. Einer warf sich mit der ganzen Schwere seines Körpers auf Ximenos hoch über den Block sich wölbenden Leib, daß das Wasser dem Gepeinigten fast die Därme sprengte. Ein anderer stopfte in seinen Mund ein Tuch, dessen Gewebe sich auf Grund langer Erfahrung als genau für den beabsichtigten Zweck geeignet erwiesen hatte. Und nun wurde das Wasser durch dieses Tuch gegossen. Schluckend, nach Atem ringend, sog Ximeno das Tuch in den Kehlkopf, wo es festklebte, während das Wasser, immer mehr Wasser, hindurchtröpfelte. Ximeno war dem Ersticken nahe, als am Ende der langen Qual die Menschenkinder ihm das Tuch so plötzlich aus der Kehle rissen, daß die Schleimhaut in Fetzen abging. Blut quoll ihm aus dem Mund. »Jetzt singe«, flüsterten die Folterknechte. Ximeno schwieg. Wieder wurde ihm das blutige Tuch in den Mund gesteckt. Wieder wurde ihm Wasser in den Mund gegossen, erstickendes, entsetzliches, tödliches Wasser - sechs Krüge nacheinander, und brutale Fäuste drückten ihm auf den Leib, so daß Ximeno Lungen, Därme und Herz platzen glaubte.
Er schwieg. Und so wurde ihm endlich die letzte Folter bestimmt. Ein paar Minuten des Aufschubs lag er von Schmerzen gepeinigt auf den kalten Steinen, brennend wie von
Flammen die Gelenke, ätzendes Reißen in der Kehle, und hörte, wie der Priester ihn noch einmal bat, sich die ihm nun bevorstehende, die schlimmste Qual zu ersparen. Er schwieg. Darauf wurden seine Fußsohlen mit einem Gemisch aus Pfeffer, Öl, Pfefferminz und Gewürznelken beschmiert; als die höllische Salbe gut in die Haut eingedrungen war, zündete man an einem offenen Feuer Reisigbündel an und strich mit ihnen über die Sohlen. Brandblasen wölbten sich auf, grauenhafte Blasen, unerträglicher Schmerz raste durch Ximenos Körper. Er verlor das Bewußtsein.
Einige Zeit darauf erwachte Ximeno in seiner Zelle. Sein Strohsack war inzwischen entfernt worden, nackt lag er auf den Steinen, neben ihm seine Kleidung. Er war außerstande, Arme und Beine zu bewegen. Seine Füße glühten vor Schmerz, sein Mund, seine Kehle waren so voller Wunden, daß jeder Atemzug Pein bedeutete. Vier Tage des Grauens lag er dort und hoffte auf den erlösenden Tod. Am fünften Tag -die Blasen eiterten, seine Gelenke waren dick geschwollen, Mund und Kehle eine einzige Wunde - wurde er wieder hinabgeschleppt. Der Priester sprach: »Diego Ximeno, wir haben untrügliche Beweise, daß du ein Jude bist. Um Gottes Willen, ich bitte dich, sei geständig und laß uns diesem hier ein Ende machen.« Ximeno schwieg.
Der Dominikaner wünschte aufrichtig, den Angeklagten vor weiterer Pein zu bewahren. Er zeigte auf die Tür zur Folterkammer und fuhr fort: »Glaube mir, Diego, von hundert Irregeleiteten, die wir hier hinabführen, lassen wir mindestens neunzig frei. Damit sie in ihren Alltag zurückkehren. Damit sie als geläuterte Christen in den Schoß der Kirche zurückkehren.« Er wartete. Ximeno schwieg. »Es ist wahr, wir bereiten ihnen hier Pein. Aber wenn sie geständig sind, gehen sie frei aus, und nichts bleibt ihnen als eine unselige Erinnerung. Diego, wenn du uns nun die Namen der anderen Juden nennst, wirst du frei sein gleich den Neunzig und nur ein paar Narben zurückbehalten. Ich bitte dich, sprich.« Ximeno schwieg.
Diesmal bedienten sich die Folterknechte anderer Praktiken. Wieder zerrten sie ihn hoch bis unter die Decke. Anders aber als vor fünf Tagen, ließen sie ihn sofort fallen und zogen ihn ebenso jäh wieder hoch, als solle ihm das Herz aus dem Leib gerissen werden. Nach ein paar Minuten schon packten sie ihn, warfen ihn auf den Tisch und drückten ihn auf den Block nieder, daß sein Rückgrat fast zerbrach. Dann kam sofort das Tuch, kamen sofort die sechs Krüge Wasser. Und danach kamen ohne Verzug die Feuerbrände - so schrecklich, daß Ximeno wiederum die Besinnung verlor. Angewidert schleppten sie den Ohnmächtigen in seine Zelle zurück, hoben ihn hoch und warfen ihn gegen die Wand. »Hoffentlich haben wir ihn fertiggemacht«, murmelten sie. Denn daß er ihren Künsten widerstanden hatte, warf ein schlechtes Licht auf sie. Den Beweis, daß er ein heimlicher
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