Die Quelle
fühlen, dachte er, desto besser ist meine Chance, einen beachtlichen Batzen Bakschisch aus ihnen herauskitzeln zu können. Eigentlich sollte man meinen, daß dieser Gedanke Tabaris wider alle Vernunft war: Konnte man nicht viel eher von einem auf sich allein gestellten und ratlosen Mann erwarten, daß er kräftig Bakschisch anbot? Die türkischen Verwaltungsbeamten wußten jedoch aus reicher Erfahrung, daß gerade Männer, die ihrer Sache sicher waren, Männer, die über beträchtliche Mittel verfügten, für das, was sie erreichen wollten, auch zahlten. Solche Männer konnte man zwar nicht einschüchtern, aber man konnte sie übertölpeln.
Kaimakam Tabari drückte seine türkische Zigarette aus, rückte seinen Fes zurecht, ging zu seiner Frau, der er so viel verdankte, und küßte sie. Dann machte er sich auf den Weg zu seinem Amtssitz. Araber und Juden wichen respektvoll aus, und so wandelte er langsam und majestätisch an der Moschee vorbei. In der Karawanserei, die an einem der großen Plätze lag, erkundigte er sich, ob der Bote aus Akka schon mit den Depeschen des Mutasarrif eingetroffen sei. Zu seiner Enttäuschung erfuhr er, daß noch kein Reiter gekommen war.
»Sobald er da ist«, befahl Tabari, »schickt ihn schnellstens zu mir.« Nun aber konnte er die Besprechung nicht länger hinauszögern; mit gespieltem Eifer stürzte er in sein Büro, eilte auf die beiden Komplizen zu und umarmte sie herzlich.
»Meine lieben Freunde, machen Sie es sich bequem an diesem heißen Tag.« Er holte Stühle für sie herbei und fragte: »Nun, was kann ich für Sie tun?« Der kleine Richter gaffte. »Aber Exzellenz! Zwei Jahre schon sprechen wir über diese Angelegenheit.« »Gewiß, gewiß«, meinte Tabari freundlich. »Aber haben wir irgendwelche neuen Lösungen vorzuschlagen?«
»Kein Wort aus Akka?« fragte der Mufti grob. »Keins.«
»Dann werden Sie also die Entscheidung treffen?«
»Selbstverständlich.«
»Und wie haben Sie entschieden?«
»Ich bin geneigt, mich Ihnen anzuschließen.«
Der etwas törichte Kadi glaubte, diese Bemerkung bedeute Sieg. Überschwenglich rief er: »Exzellenz! Unsere Herzen haben gespürt, daß ein Mann von Ihrer Weisheit.«
Aber der Mufti, einer der klügsten Männer von Tabarije, kannte die Kniffe der Beamten des Türkischen Reiches zur Genüge. Deshalb versuchte er, Tabari festzulegen: »Können wir uns auf Ihr Wort verlassen?«
Wenn der Kaimakam sich durch die ungehobelte Art des Mufti gekränkt fühlte, ließ er sich jedenfalls nichts anmerken. Denn er dachte an das, was er sich vorgenommen hatte: Heute will ich Geld von diesem Kerl. Die Rache kann bis morgen warten. Deshalb lächelte er verbindlich und sagte: »Selbstverständlich haben Sie mein Wort.«
Wieder war der Kadi entzückt: »Der Jude bekommt also kein Land?« fragte er. »Ganz so habe ich mich nicht ausgedrückt«, wich Tabari aus. »Wie denn?« stieß der Mufti hervor.
Abermals unterdrückte der Kaimakam seinen Ärger. Er dachte: Früher oder später muß ich diesen Mann zu Fall bringen. Aber nicht heute. Zu dem Mufti gewandt, erklärte er: »Ich sagte, daß ich Ihre Meinung teile.«
»Aber was gedenken Sie nun zu tun?«
Tabari dachte: Laß den puterroten Hund noch tollwütiger werden. Um so leichter kann ich ihm das Geld ablocken. Gleichmütig sagte er: »Was ich tun werde? Genau das, meine Herren, was Sie vorgeschlagen haben.«
Der kleine Kadi ließ durchblicken, wie erleichtert er war, daß die Ungewißheit nun ein Ende gefunden hatte. »Dies ist ein denkwürdiger Tag, Exzellenz. Dann bekommt der Jude also kein Land?«
»Unter gar keinen Umständen«, versprach der Kaimakam, und mit einer Geste offenkundigster Ehrlichkeit legte er seine Hände, die Innenflächen nach oben, auf den Tisch, als wolle er sagen: Und damit habt ihr die ganze Sache vor euch. Der Kadi lachte auf, als sei eine Last von ihm genommen. Der Mufti hingegen wußte, daß es nun mit der Erpressung erst richtig losging. Wann immer nämlich ein Beamter der Hohen Pforte die unselige Phrase gebrauchte: »Unter gar keinen
Umständen«, dann wußte jeder kluge Mann, daß die Sache nun endlich reif geworden war für ein hartes Aushandeln und daß der Erfolg dem winkte, der die höchste Bestechungssumme zahlte. Der Mufti dachte: Nun sehe sich einer diesen verdammten Araber an! Der wartet doch nur darauf, bis ich ein Angebot mache. Laß ihn warten.
Kaimakam Tabari wartete. Er sah, daß der dumme Kadi die Pointe nicht begriffen
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