Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
Vom Netzwerk:
ich etwas im Nebenzimmer, das Ihr vielleicht gern sehen möchtet.«
    »Was denn?«
    »Kommt und schaut selbst.« Der stattliche Gouverneur öffnete eine Tür und führte Hakohen zu einem Regal. Dort stand eine Reihe von zweiundzwanzig dicken Büchern mit Goldprägung auf dem Lederrücken. Hakohen erkannte: Das war eine sehr gute litauische Ausgabe des Talmud, dieselbe, die er in Berditschew gesehen hatte, als er Geld für den Landkauf sammelte. Tabari reichte ihm einen Band zur Ansicht. Ehrfürchtig schlug Schemuel ihn auf, und vor sich sah er das herrliche, singende Hebräisch, das er einst auf Wunsch seines Vaters hatte studieren sollen, an der Jeschiwa.
    »Was mich interessieren würde«, sagte Tabari, »warum hat dieses Buch eine solche Wirkung auf die Juden?«
    Schemuel betrachtete die großen Seiten - mehr als fünfzig Zentimeter hoch und nahezu fünfunddreißig Zentimeter breit. Dieses Buch hatte keinerlei Ähnlichkeit mit denen, die ein Moslem oder ein Christ kennen mochte. Denn jede Seite war in sich selbst ein geschlossenes Werk, gedruckt mit sechs oder gar acht deutlich verschiedenen Typen, sehr großen bis sehr kleinen. Die Anordnung war höchst eigenartig: In der Mitte der Seite stand in großen Lettern ein kurzer Satz. Und der war oben und unten, links und rechts von Blöcken unterschiedlich großer Lettern umgeben, die ausführlich erklärten und kommentierten, was es mit dem Satz in der Mitte für eine Bewandtnis hatte. An den Rändern der Seite aber befanden sich außerdem Rubriken, in winzigen Buchstaben gedruckt und noch nicht einmal zwei Zentimeter breit. Diese eine Seite, ein so wirres Durcheinander sie zu zeigen schien, war zugleich ein
    Meisterwerk der Druckerkunst - und keine Seite ähnelte einer anderen.
    »Was bedeutet das?« fragte Tabari.
    »Dieser in die Augen fallende Satz in der Mitte ist eine Äußerung des großen Rabbi Akiba.«
    »Wer war das?« fragte Tabari. »Ein Rabbi. Er liegt hier in Tabarije begraben.«
    Tabari blickte auf Akibas Satz und deutete dann auf einen der ringsherum angeordneten Satzblöcke. »Und was bedeutet das?«
    »Eine Meinung des Rabbi Meir zu Rabbi Akibas Satz. Der lebte erst später. Auch er liegt hier in Tabarije begraben.«
    »Und dort dieser große Block?«
    »Stammt vom größten Gesetzeslehrer. Von Mose ben Maimon, der in Ägypten gelebt hat.« Er konnte diese so wundervolle Seite gar nicht genug betrachten und sagte: »Exzellenz. Ihr habt eine Seite ausgewählt, die sehr passend für Tabarije ist, denn auch das Grab des Mose ben Maimon befindet sich hier.« Aber da wurde ihm zu seinem Kummer klar, daß Tabari seine Ausführungen über den Talmud überhaupt nicht ernst nahm, daß er nicht einmal wissen wollte, was dieses große Werk wirklich bedeutete. Tabari hatte weit irdischere Gedanken im Kopf, und die gab er nun eindeutig zu erkennen, indem er das Buch zuklappte und seinen kleinen Gast unverblümt anblickte. »Schemuel, werdet Ihr in Eurer neuen Siedlung auch eine Synagoge haben?«
    »Ja.«
    »Nun, ist da nicht eine Ausgabe des Talmud wie diese hier.? Echtes Leder. Wäre es nicht eine große Sache, sie der neuen Synagoge zu schenken?« Zuerst glaubte Hakohen, daß Tabari vorhabe, als Gegengabe für das Bakschisch, das er den Juden in Akka abzunehmen gewillt war, den Neuankömmlingen dieses kostbare Werk zu schenken. Mit dieser Annahme hätte der kleine Jude sich beinahe selbst zum Narren gemacht. Schon wollte er sich überschwenglich bedanken, als ihm plötzlich einfiel: Halt! Halt! Der erwartet ja, daß ich den Talmud kaufe. Tabari, darin geübt, den wechselnden Gesichtsausdruck der Leute zu deuten, die ihn konsultierten, bemerkte das schüchterne Lächeln und hatte im selben Augenblick einen ähnlichen Einfall: Halt! Halt! Der kleine Jude denkt ja, ich will ihm die Bücher schenken.
    Tabari begann als erster: »Ich habe mir nun überlegt.« -wieder dieser entsetzliche Satz! -, »wenn Ihr. also. wenn Ihr ein bißchen Geld übrig hättet.«
    Was Hakohen an diesem heißen Abend daraufhin sagte, vermochte er sich später nicht mehr ins Gedächtnis zurückzurufen, denn es war nicht er, der sprach, sondern eine stärkere Macht, die sich seiner Stimme bediente: »Woher habt Ihr den Talmud?« fragte er kalt.
    »Da war einmal ein alter Rabbi mit einigen Dokumenten, die unterzeichnet werden mußten. in Beirut.«
    »Er hat Euch den Talmud angeboten? Für ein paar Papiere?«
    »Es waren außerordentlich wichtige Papiere. die seine ganze Gemeinde

Weitere Kostenlose Bücher