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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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beschleunigten Schemuels Schritte an diesem heißen Nachmittag. Er wollte dem Kaimakam gegenübertreten, um mit dem Aufwand letzter Kraft das Land in seinen Besitz zu bringen. Wie er so durch die Straßen ging, von den Juden nicht beachtet, wirkte er nicht sehr imponierend. Selbst mit Fes war er gerade ein Meter sechzig groß, und seine geliehene Kleidung paßte ihm nicht. Die Hosenbeine waren zu kurz, und die Schuhe knarrten von den Wanderungen über Land. Und noch immer ging er mit vorgestreckter linker Schulter, als wolle er sich seitwärts seinen Weg durchs Leben bahnen. Er roch nach dem elenden Raum, in dem er zu leben gezwungen war, und durch das viele Mißgeschick sah er beinahe aus wie einer der verängstigten Juden, die durch die Gassen von Städten wie Gretsch und
    Kiew huschten. Aber nur äußerlich wirkte er so, denn innerlich hatte er eine gewisse Sicherheit wiedergefunden: In Pekiin hatten Juden ihm den Beweis erbracht, daß sie als Bauern zu leben vermochten, auf fruchtbarem Boden - Juden, die sich beduinischer Angreifer zu erwehren wußten. So ging er durch Tabarije, fest entschlossen, aus dieser letzten Zusammenkunft als Besitzer von Grund und Boden hervorzugehen. Der Kaimakam, der beabsichtigt hatte, eine Besprechung mit Schemuel so lange hinauszuschieben, bis er ihm noch mehr Bakschisch abpressen konnte - zumal der landesherrliche Befehl ja nun vorlag -, begrüßte Hakohen mit entwaffnender Liebenswürdigkeit, indem er ihm bis an die Tür seines Amtszimmer entgegenkam, als seien sie beste Freunde, und ihn wohlwollend fragte: »Warum kommt Ihr an einem so heißen Tag wie heute?«
    »Ist der Ferman aus Istanbul eingetroffen?«
    »Noch nicht, Schemuel«, log Tabari. Und als er sah, wie Hakohen vor Verzweiflung zitterte, fuhr er fort: »Solche Dinge brauchen Zeit, Schemuel. Da ist der Mutasarrif in Akka, und der Wali...«
    »Ich weiß«, fuhr Hakohen beinahe heftig auf. »Verzeiht mir, Exzellenz. Ich habe beunruhigende Nachrichten aus Akka.«
    Der Kaimakam Tabari wurde argwöhnisch. Ich weiß, dachte er, daß die Juden angekommen sind. Aber Hakohen weiß nicht, daß ich es weiß. Warum also erzählt er mir, was seine Position nur schwächen kann? Er muß doch einen Grund haben. Wahrscheinlich hat er vor, sich auf meine Gnade zu verlassen. Und so sagte er zu Schemuel: »Was kann sich schon in Akka ereignen, daß es eine schlechte Nachricht bedeutet? Ihr wißt, der Mutasarrif steht auf Eurer Seite.«
    »Die Juden, die das Land kaufen. sind angekommen.«
    Der Kaimakam legte sein Gesicht in düstere Falten. »Wirklich? Dann wird es jetzt ernst, Schemuel.« Und nun wartete er, was der Jude unternehmen würde. Er hatte richtig geraten. Ohne zu antworten, griff Hakohen in seine Rocktasche und zog ein Päckchen Banknoten hervor. Er schob es Tabari hin und sagte: »Neunhundertundachtzig Pfund. Für den Emir Tewfik in Damaskus.« Der Kaimakam rührte das Geld nicht an, sondern sah nur interessiert zu, wie sein Besucher jetzt seine rechte Hosentasche leerte. Es kamen aber nur ein paar kümmerliche Münzen und einige Scheine in fremder Währung zum Vorschein. Das war die Art von Bestechung, wie sie ein armer Teufel versuchte, der etwa sein Pferd wiederhaben wollte. Tabari wartete weiter.
    »Exzellenz. Dies ist bis auf den letzten Piaster alles, was ich auf dieser Welt besitze. Nehmt es, aber gebt mir das Land.«
    »Was Ihr da vorschlagt, ist eine ernste Angelegenheit«, erwiderte Tabari. »Ihr wollt, daß ich den Juden gestatte, sich auf dem Grundstück niederzulassen, bevor wir etwas aus Istanbul gehört haben. Wenn ich das täte, könnte ich meine Stellung und meinen Ruf einbüßen.« Er hielt ein, um Schemuel Zeit zu lassen, diesen Punkt zu überdenken, und fuhr dann ganz sanft fort: »Wenn wir nur ein paar Monate warten könnten.«
    Noch einmal schob Hakohen dem Kaimakam das Geld hin und sagte leidenschaftlich: »Wenn die Juden herkommen und merken, daß sie betrogen worden sind, werden sie mich umbringen.«
    Kaimakam Tabari lehnte sich zurück und lachte beruhigend. »Aber Schemuel, Juden bringen doch keine Juden um. Die verprügeln Euch vielleicht oder verjagen Euch. Aber selbst damals hat man Euch nicht umgebracht.« Er war fest davon überzeugt, daß Hakohen noch irgendwo Geld haben mußte, und das wollte er haben. Er stand auf und schob einen Stuhl in die Nähe seines Schreibtisches. »Setzt Euch, Schemuel.«
    Diese Geste überraschte Hakohen. Niemals zuvor während der vier Jahre in Tabarije hatte er in

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