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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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nicht teilnehmen, weil er die Sprache nicht verstand. Daraufhin sagte eine der Studentinnen in holprigem Jiddisch: »Kommt wieder, wenn der Krieg vorbei ist, und helft uns die Heimat befreien.« Sie war etwa siebzehn Jahre alt, breitschultrig und braungebrannt, ihr schweres Haar kurzgeschnitten, ihr khakifarbenes Kleid noch kürzer. Sie war das kräftige, muskulöse Mädchen des zukünftigen Staates Israel, eine echte Sabra - eine »Kaktusblüte«, wie die in Palaestina Geborenen genannt wurden: »außen stachelig, innen süß«. In dem hübschen Gesicht sah man einen deutlich russischen Zug. Ihre Oberlippe war schmal, und über den vollen Wangen saßen hochangesetzt die Wangenknochen; ihr energisches Kinn sah eckig aus, so daß sie nicht wie eine Jüdin wirkte; beim Lächeln zeigte sie ungewöhnlich große, weiße Zähne. Kein jüdisches Mädchen, das Isidor Gottesmann kennengelernt hatte, ähnelte dieser
    Studentin, die so kräftig und so voller Zuversicht war. »Ihr kommt doch zurück und helft uns?« fragte sie. »Wobei?«
    Sie wurde ernst, ganz unpassend ernst für ein siebzehnjähriges Mädchen, das mit fremden Soldaten flirtet, und sagte: »Es wird Krieg geben, harte Kämpfe, und wir werden euch brauchen.«
    Er dachte an die bewegten Wolken über dem See Genezareth und sagte: »Ihr könnt aber doch nicht gegen alle diese Araber kämpfen.«
    »Wir wollen es nicht«, erwiderte sie, »aber sie wollen es. Sie denken, sie können uns besiegen. Aber wenn wir erst einmal Jerusalem eingenommen haben.«
    »Nachdem ihr was.?«
    Sie sah ihn aus großen, schönen braunen Augen an. »Wir nehmen Jerusalem ein«, sagte sie mit Bestimmtheit. »Natürlich brauchen wir dabei Hilfe«, und sie griff nach seiner Hand und rief: »Soldat, bitte, komm wieder.« Beschämt über diesen Gefühlsausbruch trat sie zurück und fragte nach eine Weile: »Wo kommst du her, Soldat?«
    »Aus Deutschland.«
    »Und deine Verwandten?«
    »Ich habe keine.«
    Sie nahm seine Hände wieder und küßte sie. »In Deutschland hast du keine Heimat. Aber in unserem freien Israel.« Er war verblüfft. Sie sprach auf Hebräisch weiter, was er nicht verstand, aber er begriff die Leidenschaft in ihren Worten. »Hier ist unsere Heimat! Jerusalem wird unsere Hauptstadt sein, und wenn sie den Krieg gegen uns wollen, werden wir ihnen einen Krieg zeigen, wie sie noch keinen gesehen haben.«
    Von dem Ton der Begeisterung in ihren Worten gepackt, fragte er auf Jiddisch: »Wo bist du zu Hause?«
    »In der größten aller jüdischen Siedlungen«, sagte sie ruhig, »am Ufer des Sees Genezareth. Wo mein Großvater bewiesen hat, daß Juden.«
    »In Kefar Kerem?«
    »Du hast davon gehört?« fragte sie voll Stolz.
    Er nahm ihr hübsches Gesicht in seine Hände und küßte sie. »Kefar Kerem wird meine Heimat sein«, sagte er auf Jiddisch, »und du meine Frau.« Wie Liebende zur Zeit der Kreuzzüge in Bordeaux, ehe der Ritter auf zehn Jahre ins Heilige Land segelte, sprachen sie an diesem Nachmittag von den Zeiten, die den Juden bevorstanden. Ihr glühender Patriotismus ließ ihn den Geist von Kefar Kerem spüren. »Ich lasse mich für die Armee ausbilden, und dann siegen wir über die Engländer«, sagte sie, »und über die Araber, wenn sie Krieg haben wollen. Jerusalem wird unsere Stadt, und die Universität.«
    »Ihr werdet Jerusalem nicht halten können.«
    »Wir werden Jerusalem halten«, erwiderte sie fest, und dann begleitete sie ihn zu den Lastwagen, wo sie ihm ihre Adresse gab, obwohl das gar nicht nötig war: Ilana Hakohen, Kefar Kerem. Als die Lastwagen abfuhren, hatte sie ihnen mit leidenschaftlicher Stimme nachgerufen: »Jüdische Soldaten! Bitte, bitte, kommt zurück!«
    Und jetzt, am 12. April 1948, saß er also in seinem neuen Haus unter den Ölbäumen und horchte auf das wilde Topfgeklapper in der Küche. Es klang, als ob ein Kind mit einem Puppenherd spielte. Voller Liebe dachte Isidor Gottesmann an seine Ilana da draußen, diese Hausfrau wider Willen. Galilaea, weit entfernt vom Hauptgeschehen und von der Hauptmacht, schien auseinanderzufallen, und die Juden waren ratlos, was sie tun sollten. Es gab viel unnützes Gerede über einen Angriff auf die Stadt Tiberias, die von den Arabern gehalten wurde. Die Mutigeren meinten allerdings, man solle zuerst gegen Acre losschlagen, das sich ebenfalls in den
    Händen der Araber befand. Und was Safad betraf, so war die Situation dort noch schlimmer als verzweifelt - sie war hoffnungslos.
    Und gekommen war das alles

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