Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
Vom Netzwerk:
war es ihm genug. Er wünschte sich nichts mehr als Ruhe und Frieden, um seine Weingärten in Kefar Kerem zu bestellen.
    Er hatte diese schönen Rebgärten zum erstenmal unter ungewöhnlichen Umständen gesehen: An einem Wintertag des Jahres 1944 - eine Bedrohung Syriens durch die Deutschen war dank der englischen Siege in der Wüste und dem Triumph der Russen in Stalingrad nicht mehr zu befürchten gewesen -wurde Gottesmanns Sondereinheit auf Lastwagen von Damaskus nach Kairo beordert, und da die Kolonne Befehl hatte, kleinere Landstraßen zu benutzen, fuhr man über Safad. In der Gebirgsstadt wurde die Truppe von einem unerwarteten Schneesturm aufgehalten. Die englischen Soldaten stiegen aus, um die engen Gassen zu betrachten, und riefen einander zu: »Sieh doch da, den Alten aus dem Ghetto!« Aber Gottesmann ging allein die schmalen Straßen entlang und dachte: So muß die Jüdengasse in Gretsch ausgesehen haben, als Simon Hagarsi dort gelebt hat. Und mit großer Freude entdeckte er an einem kleinen Haus eine Tafel mit der Aufschrift:
    Hier wirkte der große Rabbi ELIESER BAR ZADOK AUS GRETSCH
    der das Gesetz kodifiziert hat
    Dann kletterte er auf den Hügel; es hatte aufgehört zu schneien, und im Sonnenlicht sah er zum erstenmal die Majestät der Berge von Galilaea; wie ungewöhnlich sie aussahen, an diesem Wintermorgen, braun in ihrer Kahlheit, golden dort, wo das Sonnenlicht sie traf, und silbern vom Schnee, der alle Gipfel bedeckte. Die Kette hob und senkte sich wie eine harmonische Melodie und fiel dann zum See hinab, der kristallblau in der Ferne leuchtete. Wie schön war dieses Land! »Ist dies das Land, von dem sie gesprochen haben?« rief er, von Freude überwältigt. »Haben wir Juden dies einmal besessen?«
    Während er noch all die Schönheit betrachtete, sah er, daß von den Wüsten jenseits des Jordans Wolken aufstiegen, heiß von ihrem durstigen Marsch über den trockenen Sand; als sie über die Berge zogen, die Galilaea schützten, trafen sie auf die kalte Luft des Schneesturms, so daß sie wild über den See wirbelten und den Himmel weit überspannten in mächtigen Gestalten. Für einen Augenblick hatte Gottesmann das Gefühl, die Natur zeige ihm ein Bild der Zukunft: Horden stürmten an aus der Wüste zum Kampf gegen die Juden Galilaeas. Was da am Himmel geschah, spiegelte die Verwirrung seines Herzens wider, eine Ahnung kommender Kriege, aber auch ein Versprechen der Schönheit kommenden Friedens. Hier war Galilaea am schönsten - in diesem bewegten Gebiet, in dem Nationen und Religionen geboren worden waren; Gottesmann kletterte wie in einer Verzückung auf seinen Lastwagen. Die Kolonne rumpelte den Berg hinab nach Tiberias, wo der Hauptmann vorschlug: »Gehn wir zu den heißen Quellen und feiern wir.« Sie kletterten heraus und genossen die alten römischen Bäder am Südende der Stadt. Gottesmann jedoch verließ die Bäder und ging langsam weiter nach Süden, bis er das Seeufer erreichte. Und hier sah er die reichen Felder und die schlafenden Weinberge von Kefar Kerem. Einige Männer pflanzten Weinstöcke. Er fragte sie auf Jiddisch: »Wem gehört das Land?« Sie antworteten auf Hebräisch: »Den Leuten von Kefar Kerem.«
    »Was für Leuten?«
    »Wir sind es«, hatten die Bauern erwidert. »Juden? Wie ihr?« hatte er gefragt.
    »Ja, Juden, wie du«, scherzten sie auf Jiddisch, das sie nur schlecht sprachen. In diesem Augenblick kam ihm der Gedanke: Nach dem Krieg werde ich nie mehr nach Gretsch zurückkehren. Und England ist auch nicht meine Heimat. Noch einmal fragte er die Bauern: »Wie war doch der Name?«
    »Kefar Kerem. Dorf des Weinbergs«, übersetzte einer von ihnen. »Wir sind hier die älteste jüdische Siedlung«, sagte ein anderer. »Ein Mann namens Hakohen hat sie vor vielen Jahren gegründet.« Die Namen, die Felder und die Weinberge - alles hatte sich tief in Gottesmanns Gedächtnis eingegraben.
    Als seine Kolonne auf dem Weg nach Kairo durch Jerusalem fuhr, spürte Gottesmann zum erstenmal das Mysterium dieser Stadt, die für einen Juden so bedeutungsvoll war - »Übers Jahr in Jerusalem« hatte ein stetes Gebet seiner Familie gelautet; während die englischen Soldaten durch die arabischen Basare bummelten, ging er mit ein paar jüdischen Kameraden zur Hebräischen Universität auf dem Ölberg. Als er von dort auf das Wunder dieses Landes blickte, sah er drei hübsche jüdische Mädchen sich auf Hebräisch mit den Soldaten unterhalten. Er trat hinzu, konnte aber am Gespräch

Weitere Kostenlose Bücher