Die Quelle
so: Am 29. November 1947 hatte die Versammlung der Vereinten Nationen in Lake Success, New York, mit dreiunddreißig zu dreizehn Stimmen einen englischen Antrag angenommen, demzufolge das Mandat zurückgegeben werden sollte, das der alte Völkerbund Großbritannien übertragen und unter dem England für das sogenannte Britisch-Palaestina verantwortlich gezeichnet hatte. Die Lösung des Problems, was nun mit diesem wichtigen Gebiet zu geschehen habe, wurde den Vereinten Nationen überlassen. Ein dafür eingesetzter Ausschuß hatte bereits entschieden, das Land solle in drei Teile geteilt werden: Im Inneren ein arabischer Staat mit meist arabischen Einwohnern, längs der Küste ein jüdischer Staat mit vorwiegend jüdischer Bevölkerung, und dazwischen die internationalisierte Stadt Jerusalem, in die sich Mohammedaner, Juden und Christen teilen sollten, denn diese Stadt war allen drei Religionen heilig. Am Morgen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung hatten die Araber in Palaestina der Welt gezeigt, wie sie sich der Entscheidung zu fügen gewillt waren: Sie überfielen einen unbewaffneten jüdischen Omnibus, töteten fünf Personen und verwundeten sieben. Natürlich war das nicht der erste Zwischenfall, aber er trug dazu bei, zwischen Juden und Arabern einen Krieg ohne Kriegserklärung ausbrechen zu lassen, bei dem es beiden Seiten darauf ankam, bis zu dem Tag, an dem die Teilung durchgeführt wurde und der offene Krieg anfangen konnte, ein möglichst großes Gebiet zu besetzen. Während der letzten Monate ihrer Mandatsregierung bemühten sich die Engländer ehrlich, eine Art Frieden aufrechtzuerhalten. Als jedoch die Feindseligkeiten sich mehrten und jüdische und arabische Dörfer in Flammen aufgingen, erklärten die Engländer, daß sie abziehen würden, am 15. Mai 1948 - Juden und Araber mochten sich danach das Land in kriegerischer Auseinandersetzung teilen. In den Monaten Ende 1947 und Anfang 1948 standen deshalb die Engländer vor schier unlösbaren Problemen, für die sie den Juden die Schuld zuschoben; die Regierung in London versuchte, das Gesicht der Unparteilichkeit zu wahren, ihre Vertreter in Palaestina jedoch standen mehr und mehr offen auf der Seite der Araber, und es wurde deutlich, daß alle die von Tag zu Tag getroffenen Entscheidungen hinsichtlich des Abzugs den Arabern zum Vorteil und den Juden zum Nachteil ausschlagen mußten.
Das war nur natürlich. Der Durchschnittsengländer fühlte sich mehr zu den Arabern hingezogen und mißtraute den Juden; wichtiger jedoch für die leidenschaftslosen Engländer war die Tatsache, daß die Juden sich in einer hoffnungslosen Minderheit befanden - sechshunderttausend Juden gegen eine Million dreihunderttausend Araber in dem ungeteilten Palaestina, dazu weitere sechsunddreißig Millionen in Ägypten, Transjordanien, Syrien und Libanon, die ebenfalls anzugreifen gewillt waren, denn alle diese Länder grenzten an Palaestina sowie in Saudi-Arabien, im Jemen und im Irak, die nicht an Palaestina grenzten. Man konnte Verständnis für die englischen Politiker aufbringen, wenn sie annahmen, daß binnen zwei Wochen nach dem 15. Mai 1948 der letzte Jude Palaestinas ins Meer geworfen sein würde, und das war denn auch der Grund, weshalb man es für sehr unklug hielt, diesen Juden zu helfen und so nur die Qualen ihres Selbstmordes zu verlängern. Wo es möglich war, wurden den Arabern Befestigungen, Waffen und Gerät sowie sonstige Einrichtungen überlassen. Mitte April war deutlich geworden, wie sich der Übergang vollziehen sollte: Die Briten gingen; die Araber kamen; und die Kriegsflotten der ganzen Welt lagen im östlichen Mittelmeer bereit, die Juden zu retten, die den letzten Massakern entkommen würden. Wo diese Überlebenden Zuflucht finden sollten, darüber mochten die Vereinten Nationen entscheiden.
Die nackten Zahlen, die Isidor Gottesmann vor sich sah, waren mehr als entmutigend. Im ganzen oberen Galilaea, das er und seine Gruppe halten sollten, gab es nicht mehr als fünftausend Juden. Ihnen standen nicht weniger als hunderttausend Araber gegenüber, die jederzeit Verstärkung aus den im Norden und im Osten angrenzenden arabischen Ländern erhalten konnten. In den Dörfern zwischen Safad und Acre gab es zum Beispiel genau vierunddreißig jüdische junge Männer und Mädchen mit Gewehren. In Safad, wo wahrscheinlich der erste Schuß fallen würde, war eine genaue Zählung vorgenommen worden: Dort lebten
eintausendzweihundertvierzehn Juden inmitten von
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