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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Der englische Major, der die Untergrundgruppe leitete, war es gewesen. Auf seine kurze, kühle Art hatte er gesagt: »Ausgezeichnet, Gottesmann. Du kommst nach Antwerpen.« Und das hatte die Entscheidung zwischen Leben und Todeslager bedeutet, denn alle, die es nicht bis Antwerpen geschafft hatten, waren gefangengenommen und umgebracht
    worden. Und in jener Nacht in dem belgischen Hafen, in der ein anderer englischer Agent der Widerstandsbewegung ihm zugerufen hatte: »Noch ein Platz auf dem Laster. hopp, Gottesmann!« Auch das war die entscheidende Wende zwischen Tod und Leben gewesen, denn eine Woche später hatten die Nazis den Ring in Antwerpen auffliegen lassen. Er dachte auch an damals, als er in schmutziger Zivilkleidung dastand und ein Professor zu der zusammengewürfelten Gruppe sagte:    »Und auf die Universität Norwich.
    Gottesmann. Du hast gute Zeugnisse, mein Junge.« Bei der Abschlußfeier war sein deutsch-jüdischer Name scharf akzentuiert aufgerufen worden, und dann war er in die britische Armee eingetreten, nach Syrien gekommen, nach Italien - immer unter dem Befehl englischer Nichtjuden, die seine Verdienste stets großzügig anerkannt und mit ihrem Lob nicht gegeizt hatten. Später hatten ihn andere Stimmen gerufen, jiddische, die harten Stimmen kleiner, harter Männer: »Gottesmann, wir müssen diese Flüchtlinge nach Erez Israel bringen. Miete ein Boot in Tarent. Woher du das Geld nimmst? Weiß ich nicht. Nimm es.« Und die Stimme Teddy Reichs, der noch härter und noch kleiner war als die anderen, nur Hirn und Sehnen: »Gottesmann, du bringst das Dynamit nach Tiberias und wartest, bis der Lastwagen.« Unmittelbar bevor der Koffer explodierte, schrie eine Stimme auf Englisch in tödlicher Verzweiflung: »Mein Gott, Gottesmann, was hast du getan?«
    Nach dem Sprengstoffanschlag hatte er sich vor den Engländern versteckt halten müssen, und so war er heimlich nach Kefar Kerem gebracht worden, wo er das Haus von Netanel Hakohen fand. Er klopfte leise an die Tür. Drinnen stand ein großer Jude mit eckigen Kiefern, der barsch sagte: »Wenn sie dich suchen, komm herein!«
    »Ich habe Ihre Tochter in Jerusalem kennengelernt.«
    »Sie ist nicht hier. Du bist also Gottesmann, und ich vermute, du hast den Lastwagen hochgehen lassen. Willkommen, mein Sohn.«
    An jenem Abend hatte er zum erstenmal das Bild des kleinen Schemuel Hakohen gesehen, das ihn seither verfolgte. Seine linke Schulter war vorgeschoben, als wolle er kämpfen, und seine Augen leuchteten. »Er ist von Beduinen umgebracht worden, als er sein Land verteidigte«, sagte Netanel. »Als die ersten Unruhen begannen, wollten die anderen die Weinberge aufgeben und sich hinter die Mauern von Tiberias zurückziehen. Aber Schemuel predigte: Wir werden höhere Mauern bauen, als Tiberias sie je gehabt hat. Aus Liebe für das Land!«
    »Er predigte?« fragte Gottesmann. »War er ein Rabbiner?«
    Schemuel Hakohens Sohn lachte. »Schemuel? Ein Rabbiner? Bei seinem Tode hatte er genug von ihnen. In unserer Familie hat es keine Rabbiner gegeben. Der jüdische Staat wird erst dann geboren werden, wenn genug Männer wie mein Vater genug Gewehre in die Hand nehmen und die Hunde niederschießen, die uns bedrohen. Als mein Vater fünfzig war, hatte er sich seine eigene kleine Armee geschaffen, für den Schutz dieser Siedlung hier. Und einen Esel hat er sich gekauft, damit er von einer Wache zur andern reiten und seine Männer anfeuern konnte. Die Beduinen verkündeten im ganzen Land: >Wir bringen den kleinen Juden auf seinem Esel um, und dann laufen die anderen fort.< Und sie haben ihn umgebracht. Neunzehn Schußwunden hatte seine Leiche. Aber sein Glaube war so stark gewesen, daß keiner davonzulaufen wagte, und nach zwei oder drei Gefechten haben uns die Beduinen in Frieden gelassen. Um dieses Land zu behalten, Gottesmann, mußten wir um das Land kämpfen. Wenn wir einen Staat für die Juden wollen, müssen wir um diesen Staat kämpfen. Du hast deine Sache gut gemacht, als du den Lastwagen gesprengt hast.«
    »Ich habe nach dem Rabbiner gefragt wegen der Talmudbände hier.«
    »Die?« lachte Netanel. »Irgendwer hat sie meinem Vater verkauft, und er hat sie als Glücksbringer behalten. Schemuel Hakohen. man konnte ihm alles verkaufen. Seine Lehre war einfach, Gottesmann. Vergiß sie nicht: Man bekommt keinen Staat auf einer Silberplatte gereicht. Man muß ihn sich mit Blut erkaufen. Rabbiner und Regierungen und schöne Ideen -die gewinnen uns kein Land.

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