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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Wadi lebte ein Rudel Raubtiere, kleiner als Hyänen und größer als Schakale. Sie schlugen vor allem schwaches, krankes Wild, kamen aber auch in die Nähe der menschlichen Siedlungen, um den dort herumliegenden Abfall zu fressen. Die Menschen der Höhle und die an der Quelle nannten sie Hunde. Es waren kräftige Tiere des Waldes, die wohl auch einmal einen alten Menschen angriffen, den man hilflos alleingelassen hatte, weil er nutzlos geworden war und nun sterben sollte. War so ein Alter beherzt genug, konnte er sich ihrer erwehren und so seinen Tod noch hinauszögern, denn diese Hunde waren nicht die mächtigen Wölfe des Nordens, sondern eben Hunde. Und noch konnte keiner ahnen, daß einst diese Hunde die Helfer des Menschen werden sollten, ohne die er seine Herden von Weidevieh nicht würde hüten können. Das aber lag in ferner Zukunft - Jahrtausende mußten bis dahin vergehen.
    Urs Tochter, die immer noch ihrem kleinen Vogel nachtrauerte und zugleich sich unbewußt eigene Kinder wünschte, sah den großen Hund zuerst, den größten seines Rudels. Ganz allein war er aus dem tiefen Wadi zum Haus an der Quelle gekommen, denn hier fand er immer Reste menschlicher Nahrung. Ur warf einen Stein nach ihm. Der Hund knurrte und zog sich zurück, aber er kam immer wieder.
    Als Urs Tochter eines Tages auf dem hohen Felsen lag und den ziehenden Wolken nachsah, merkte sie, daß der große Hund, nur etwa hundert Schritte entfernt ganz frei am Rand des Felsens stehend, sie beobachtete. Mensch und Hund starrten einander an. Ur, der unterhalb der Stelle arbeitete, sah auf und glaubte sein Kind von dem Hund bedroht. Wieder warf er einen Stein und traf das Tier in die rechte Flanke. Heulend verschwand der Hund im Wald. Ur eilte seiner Tochter zu Hilfe. Keuchend kam er auf dem Felsen an und rief: »Hat er dir etwas getan?« Sie aber weinte nur.
    Doch nach ein paar Tagen trieb sich der Hund abermals beim Felsen herum, und auch Urs Tochter war wieder da. Das Tier fraß an einem Stück Fleisch, das vom Eberschmaus übriggeblieben war. Vorsichtig hielt es dabei die Augen auf das Mädchen gerichtet. Erst als der Hund das Fleisch bis auf die Knochen abgefressen hatte, trottete er ruhig in den Wald zurück. Am Abend sagte Urs Tochter ihrem Vater, er solle nicht mehr Steine nach dem Hund werfen, denn sie wolle ihm nun regelmäßig am Rande des Felsens Fleisch geben. Einige Monate lang machte sie es so, und nach und nach konnte sie sich ihm immer mehr nähern, schließlich bis auf etwa zwölf Schritte. Seine starken Kiefer konnte sie sehen, die Lichter in seinen Augen, und sie lernte erkennen, wie er den Schwanz hielt, wenn er keine Angst vor ihr hatte. Urs Tochter wäre dem Hund gern noch näher gekommen, um ihn vielleicht einmal berühren zu können. Aber stets zog der Hund sich vorsichtig zurück. In dieser Zeit langsamer Annäherung wuchs die Freundschaft zwischen dem Mädchen und dem Hund. Immer aber blieben zwölf Schritt der Mindestabstand. Daß dem Hund das Mädchen auch dann etwas bedeutete, wenn es ihn nicht fütterte, zeigte sich eines Morgens, als Urs Tochter beim Hund saß und plötzlich zur Quelle gerufen wurde. Es war, als sei der Hund enttäuscht über ihr Weggehen: Er folgte ihr, immer im
    Abstand von zwölf Schritt, zum Haus. Hier saß er lange Zeit wartend, bis er sich damit abgefunden hatte, daß sie dort blieb. Er verließ die ihm unvertraute Stätte und lief zurück in den Wald. Vielleicht wäre es Urs Tochter mit der Zeit gelungen, den Abstand zum Hund noch weiter zu verkleinern, denn sie war geduldig, und der Hund war neugierig. Aber dann kam ein schrecklicher Tag. Sie arbeitete in den Weizenfeldern, ohne sich um den Hund zu kümmern, von dem sie wußte, daß er sie beobachtete. Da hörte sie auf einmal eine menschliche Stimme einen Siegesschrei ausstoßen und zugleich das gellende Heulen des Hundes. Aufs höchste erregt rannte sie zum Felsen und fand ihr Tier - ihren stolzen Hund aus dem Wadi - von einem Speer durchbohrt. Das Tier lag bewegungslos da; seine braunen Augen waren wie in traurigem Staunen geöffnet. Etwas weiter weg aber stand ein junger, hochgewachsener Mann und rief jubelnd: »Ich habe den wilden Hund getötet!« Voller Wut sprang sie auf ihn zu, wie es nur der tun kann, dem man sein Liebstes genommen hat, und trieb ihn mit Schlägen davon.
    ...Der Teil
    Vered Bar-El war nun in Chicago. Cullinane konnte seine ganze Aufmerksamkeit dem Entwurf eines vorläufigen Berichts über den bisherigen Verlauf der

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