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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Schwartz diese Bemerkung und meinte: »Kommen Sie doch in mein Zimmer.« Er ging Vilspronck voraus in die Dunkelheit. Aber schon nach wenigen Augenblicken tauchten beide höchst verärgert wieder auf. Offensichtlich war etwas Schwerwiegendes vorgefallen, denn Vilspronck war rot vor Zorn, und Schwartz machte einen äußerst streitbaren Eindruck. Nach einer Weile verlegenen Schweigens sagte der Holländer nur: »Ich glaube, ich verzichte auf das Abendessen.« Und schon verließ er die Halle, zwängte sich in seinen Jeep und wendete ihn in einer Staubwolke - ein zukünftiger Kardinal, jedem neuen geschichtlichen Beweis gewachsen, wie ihn dieser Tell über die Juden im alten Palästina oder über Jesus im Heiligen Land erbracht hatte, aber völlig unvorbereitet, sich der ganz anderen Wirklichkeit zu stellen, wie sie ihm in einem modernen Kibbuz entgegentrat. Verblüfft schrie Cullinane dem davonjagenden Jeep nach: »Was ist denn passiert?« Der große Priester rief zurück: »Achten Sie besser auf die Zeichen in Ihrer Umgebung.«
    Cullinane begriff diese Antwort nicht. Er ging in den Speisesaal zurück und ließ Schwartz rufen. Als der Sekretär erschien, fragte ihn Cullinane: »Was haben Sie denn bloß mit Pater Vilspronck angestellt?«
    »Er hat einen empfindlichen Magen. Hatte auf einmal keinen Appetit mehr.«
    »Was kann er nur damit gemeint haben. die Zeichen in meiner Umgebung?« Schwartz antwortete nicht gleich -weniger aus Verlegenheit über den Zwischenfall als vielmehr deshalb, weil er Cullinane nicht in diese Affäre hineinziehen wollte. Schließlich zuckte er die Achseln und sagte: »Er hat etwas in meinem Zimmer gesehen.«
    »Vielleicht sollte ich es mir auch ansehen.«
    »Warum nicht?« fragte Schwartz gleichgültig. Er ging voraus zu einem der Wohngebäude, wo er ein Einzelzimmer hatte; als einem unverheirateten Mitglied des Kibbuz stand ihm nicht mehr zu, obwohl er sich nun schon viele Jahre hier als Sekretär betätigte. Das Zimmer war keineswegs ungewöhnlich -Schreibtisch, Tisch, Bett, Wasserkrug, und natürlich die drei wichtigsten Dinge: ein großer, randvoller Bücherschrank, ein Plattenspieler mit Stößen von Schallplatten klassischer Musik und die farbige Reproduktion eines Gemäldes von Marc Chagall - und dann allerdings, quer über eine Wand gezogen, ein sorgfältig beschriftetes Transparent, auf dem zu lesen war: und WIR haben ihn doch gekreuzigt . Dieses Transparent gab der Stimmung jener jüngeren Juden Ausdruck, die Deutschland und die Angriffe der Araber überlebt hatten und sich nicht länger darum scherten, was die übrige Welt von ihnen dachte. Anfang 1964 war ihre Parole gleichsam unter der Hand bekannt und berüchtigt geworden - damals, als im Zusammenhang mit dem Besuch Papst Pauls VI. davon die Rede gewesen war, die katholische Kirche werde vielleicht eine Erklärung abgeben des Inhalts, daß sie die heutigen Juden von der Schuld an der Kreuzigung Jesu freispreche. In weiten Kreisen hoffte man, diese großzügige Geste werde das Stigma beseitigen, unter dem die Juden fast zweitausend Jahre lang hatten leben müssen. Und wohlmeinende Leute glaubten sogar, eine solche Erklärung könne dem Antisemitismus seine moralische Grundlage nehmen und werde es künftig allen Hetzern sehr schwer machen, Pogrome anzuzetteln. So wurde diese Angelegenheit in ganz Israel mit großer Zuversicht diskutiert, und eine optimistische Gruppe hatte sogar an die Zeitungen geschrieben: »Ein glorreicher Tag wird anbrechen, wenn uns die christliche Kirche endlich von unserer Schuld freispricht.«
    Dieser Brief war nun allerdings ganz gewiß nicht von Schwartz aus dem Kibbuz Makor oder irgendeinem seiner Freunde unterschrieben worden. Im Gegenteil: Ihnen bedeutete das Angebot einer Absolution nichts als eine Beleidigung des jüdischen Volkes und der Besuch des Papstes nur eine Geste der Herablassung. So entwarfen sie einen anderen Brief, den die Zeitungen in Israel jedoch für derartig aufrührerisch hielten, daß sie es ablehnten, ihn zu veröffentlichen: »Es ist absurd, wenn ein Papst herkommen und eine Vergebung aussprechen will, die auszusprechen ihm überhaupt nicht zusteht. Zweitausend Jahre sind wir Juden von den Christen verachtet und mißhandelt worden. Es ist keineswegs ihr Recht, uns zu vergeben. Wenn sie es tun, ist es nur eine Demütigung für sie selbst und für uns, denn an uns sollte es liegen, ihnen zu vergeben.« Und als Beweis ihrer Absicht, hart zu bleiben, wie Gott es befohlen hatte,

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