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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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ihren Tempel. Sie gehorchten Gottes Befehl, auf ewig Zeugnis abzulegen, und wanderten heimatlos durch die Welt. Inzwischen hatte das Christentum die Macht ergriffen. Und zur Strafe müssen die Juden so lange wandern, bis sie sich zu Christus bekennen. Das war eine ordentliche, saubere Theorie. Die Welt glaubte sie. Mein erster Schock kam, als ich las, daß die Juden im Jahre 135 n. Chr. obwohl sie doch gar nicht mehr hier sein sollten, sich in einem noch größeren Aufstand gegen Hadrian erhoben hatten. Die kürzliche Entdeckung von Briefen, die tatsächlich von Bar Kochba, dem Anführer der Aufständischen, geschrieben sind, hat bei uns allen größtes Aufsehen erregt. Aber nochmals wurde uns gesagt: >Alle Juden sind vertrieben worden.< Und jetzt graben wir diese Synagogen aus dem vierten Jahrhundert aus und stellen fest, daß es damals hier mehr Juden gab als zuvor. Die Synagogen waren große, imposante Gebäude für eine sehr große Bevölkerung. Kefar Nachum, Kefar Birim, und jetzt Makor. Alle erzählen uns die gleiche Geschichte. Und dreihundert Jahre später, als die Moslems kamen, finden wir immer noch eine starke jüdische Bevölkerung. Und vierhundert Jahre danach, als die Kreuzritter kamen, waren immer noch Juden da.« Er machte eine Pause; sein Gesicht verriet Staunen. »Irgend etwas ist hier vor sich gegangen, was uns die Geschichtsbücher nicht erzählt haben.«
    Pater Vilspronck hatte seine wissenschaftlichen Arbeiten im Heiligen Land mit der Absicht begonnen, Beweise zu sammeln, die das Christentum stärken sollten. Aber dann stellte es sich als die größte Ironie seines Lebens heraus, daß seine Arbeit hauptsächlich dazu diente, mehr über das Judentum auszusagen. Trotzdem hatte er seine Forschungen fortgesetzt. Er wußte instinktiv, daß mit der Aufdeckung der wahren Beziehungen zwischen Christentum und Judentum beide Religionen an Bedeutung gewinnen würden, und damit rückte, so meinte er, auch schließlich die Bekehrung der Juden näher. Er wußte noch etwas anderes, das er allerdings in seinem Unterbewußtsein verbarg - mochten andere etwas daraus machen: Das Auftreten Jesu Christi in Galilaea war nicht das mysteriöse Signal zum Verschwinden rivalisierender Religionen gewesen - sie hatten sich vielmehr mit ungebrochener Lebensenergie gehalten, und wenn man den von den Synagogen gelieferten Beweisen trauen konnte, so hatten sie sogar an Kraft gewonnen. Erst als die Griechen die großartige Botschaft des heiligen Paulus zurücktrugen in das Heilige Land, fand das Christentum am Ort seiner Entstehung verstärkt Gehör. Aber das zu schildern, mußte man anderen überlassen.
    Der Priester fragte, ob er die Gräben besichtigen dürfe; Cullinane entdeckte jedoch sehr bald, daß Vilspronck an den Ausgrabungen nicht ernsthaft interessiert war - hatte er sich doch das meiste, das erreicht worden war, ohnehin bereits so vorgestellt. Sein wahrer Wunsch war, sich mit einem anderen Katholiken zu unterhalten. Und so saßen die beiden auf dem
    Gipfel des Tell, schauten hinüber zu den Minaretten von Akko und diskutierten eines der großen Geheimnisse der Welt. »Vermutlich haben Sie nichts entdeckt, was irgendeinen Hinweis auf Flavius Josephus gibt«, begann der Holländer.
    »Nichts. Aus dem, was wir gefunden haben, können wir nur schließen, daß Makor um 66 n. Chr. gründlich zerstört worden ist. Man darf mit einiger Sicherheit annehmen, daß Vespasian es niedergebrannt hat.«
    »Trotzdem. da ist diese eigenartige Stelle aus dem Kommentar zu Josephus: jüdischer Überlieferung zufolge ist Josephus bei Nacht aus Makor entwichen.« Er warf Kieselsteine in die Schlucht, durch die der große jüdische Feldherr geflohen war, als er die Stadt dem Untergang preisgab. »Ich würde viel dafür geben, wenn wir irgend etwas Greifbares zum Beweis dafür hätten, daß dieser Gauner hier in eine Situation geraten ist, über die er später nicht schreiben wollte.« Der Holländer ballte die Fäuste und blickte nachdenklich auf die nun leeren Suchgräben, in die er allerdings nur zum Teil hineinsehen konnte. »Sollte man nicht logischerweise annehmen, daß, wenn Makor die erste jüdische Stadt war, die Vespasian erreichte, der Feldherr Josephus hiergewesen ist, um sich ihm zu stellen? Wie konnte er in der Nacht entfliehen? Und vor allem: Warum hat Josephus selbst darüber nichts verlauten lassen? Ich weiß warum.« Der Priester erhob sich und stiefelte über den Tell, und dabei versuchte er sich vorzustellen, wie die

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