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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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zeigten Schwartz und seine Juden ihr Transparent mit den trotzigen Worten:
    UND WIR HABEN IHN DOCH GEKREUZIGT.
    »Nehmen Sie das ab«, sagte Cullinane. »Das glauben Sie wohl selber nicht.«
    »Herunter damit«, brüllte der Ire, unfähig, seine gewohnte Ruhe zu bewahren. Schwartz lachte, und das versetzte Cullinane in Wut. Er wollte ihn packen und ihm in sein spöttisches Gesicht schlagen, aber Schwartz wich geschickt aus. Schweigend starrten sich beide eine Zeitlang an. Dann schluckte Cullinane seinen Ärger hinunter und sagte: »Gerade jetzt treten die Bischöfe in Rom zusammen, um ein altes Unrecht wiedergutzumachen. Alles, was ihr Juden euch erhofft, hängt von Männern guten Willens ab, wie Pater Vilspronck einer ist. Und Sie beleidigen ihn.« Es war offensichtlich, daß Cullinane auch sich selbst zu den Männern guten Willens zählte. Und deshalb war auch für ihn dieser Spruch anstößig. Schwartz jedoch machte sich über diesen wohlmeinenden Ratgeber nur lustig: »Kein Mensch nimmt doch diese Masche vom guten Willen noch ernst.« Cullinane lief rot an und sagte finster: »Sie können es auch mit bösem Willen haben. Nehmen Sie das Ding runter.«
    »Niemand in diesem Zimmer kann mich dazu veranlassen.«
    Mit einem Sprung war Cullinane an der Wand, krallte seine Finger in den Stoff und zerriß ihn in zwei Teile. Schwartz stürzte sich von hinten auf ihn und packte ihn bei den Armen. Keuchend rangen die beiden miteinander, bis Cullinane sich schließlich aus der Umklammerung befreien konnte. Dadurch bekam Schwartz seinen rechten Arm frei. Mit einem wild ausholenden Schlag hieb er Cullinane seitlich über den Kopf und den Oberkiefer.
    Der Schlag kam beiden so überraschend, daß sie das zerrissene Transparent vergaßen, die Arme fallen ließen und einander anstarrten. Schwartz schämte sich seiner Tat, und Cullinane war von dem Schlag und der wilden Wut des Kampfes benommen. Trotzdem konnte er seines Abscheus vor der Inschrift nicht Herr werden. Er ging zur Wand und riß das Transparent in Fetzen. »Niemand von uns kann es sich leisten zu hassen«, sagte er.
    Ohne eine Bewegung sah Schwartz der Zerstörung seines Transparents zu. Dann sagte er kalt: »Ich hasse niemanden. Ich habe auch nicht die Absicht, anständige Menschen wie Vilspronck herauszufordern. Nur gebe ich keinen verdammten Pfifferling mehr dafür, wie ihr über die Juden denkt. Ihr alle. Neunzehn Jahrhunderte lang haben Juden guten Willens wie ich versucht, es Leuten wie Ihnen rechtzumachen. Und wie weit sind wir damit gekommen? Wir waren hilfsbereit zu Königen und Päpsten. Und wie hat man es uns gedankt? Jetzt haben wir unser eigenes Land gewonnen, und wir werden es behalten. Und was Sie oder Vilspronck oder der Papst oder General de Gaulle darüber denken, berührt mich nicht. Nicht im geringsten.«
    Cullinane reagierte automatisch. Seine rechte Faust schoß vor und traf Schwartz direkt unter das Kinn. Wie eine Eiche, die die ersten splitternden Schläge der Axt nicht beachtet hat, wankte der dunkelhaarige Jude und stürzte dann besinnungslos zu Boden.
    Es war das erste Mal, daß Cullinane einen Mann bewußtlos geschlagen hatte. Er war entsetzt: »Mein Gott, ich habe ihn umgebracht.« Aber zu seiner Erleichterung erholte sich Schwartz schnell, richtete sich auf, bis er kniete, und rieb sich den Kiefer.
    »Wahrscheinlich habe ich’s verdient«, sagte er. Und als sie schließlich miteinander zum Speisesaal zurückgingen, überschüttete Cullinane ihn geradezu mit einer Fürsorge, als sei er ein krankes Kind. Eindringlich sagte er: »Es kommt sogar sehr darauf an, was wir denken. Vilspronck und Männer wie ich. denn in Zeiten der Krise könnten gerade wir euch retten.«
    Schwartz blieb stehen, blickte den eifrigen Katholiken an und erwiderte: »Wir Juden leben ständig in einer Zeit der Krise. Und keiner hat uns jemals gerettet.« An diesem Abend aber speisten die beiden gemeinsam.
    Am nächsten Morgen kehrte Vered mit dem Flugzeug aus Chicago zurück. Sie kam auf dem Flughafen Lod an. Als sie wie ein strahlender kleiner Zaunkönig, der wieder seinen Stammplatz im Busch draußen vor der Küche einnehmen will, eiligst die Gangway hinuntertrippelte, dachte Cullinane: Was für ein anbetungswürdiges Geschöpf.
    Er hatte die Absicht, mit Vered nach Makor zurückzufahren, um ihr nochmals einen Heiratsantrag zu machen, wurde aber daran von Eliav gehindert, der sie schnell in seinen eigenen
    Wagen zog und einfach mit ihr davonfuhr. Mochten Cullinane und

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