Die Quelle
Blick über die Schulter. Der Polizist bahnte sich mühsam einen Weg von der anderen Seite des Raumes auf ihn zu, gefolgt von der Kommissarin.
Benn schlängelte sich weiter an den Krankenliegen und Rollstühlen vorbei, blickte in verzerrte Gesichter. In manchen Augen glitzerte unbändige Wut.
Der Mann hatte mit seinem Geschrei das Ventil geöffnet, den aufgestauten Frust über die schlechte Versorgung abzulassen.
Benn spürte den Tritt am Schienbein, als er bereits fiel.
Die Schmerzen paralysierten ihn kurzzeitig. Er krachte mit dem Kopf auf das vor Schmutz starrende Linoleum. Sein Blick verfing sich in einem stark geriffelten Sohlenabdruck auf dem Boden, dann wurde ihm schwarz vor Augen.
Ein harter Griff in seinem Nacken verhinderte, dass er ohnmächtig wurde. Er wurde herumgerissen, auf den Rücken geworfen. Über ihm tanzten fanatische Fratzen wie eine dichte Schar dämonischer Drachen am Himmel.
Er spürte Schmerzen. Auf der Brust, an den Rippen, an den Beinen. Fäuste schlugen ungeübt auf seinen Körper ein.
Hinter den Fratzen erschien die blaue Uniform des Polizisten, der hilflos gegen die aufgebrachte Masse anschrie, ohne dass die Schläge aufhörten.
Der peitschende Knall eines Schusses durchbrach die schreiende und prügelnde Phalanx. Die Fratzen wichen zurück, das rundliche Gesicht des Polizisten näherte sich.
Hinter dem Polizisten erschien ein erhobener Arm, der in einer flüssigen Bewegung nach unten fuhr. Benn sah die Frauenhand mit dem Pistolenknauf, dann verdrehte der Polizist die Augen.
Das Gesicht der Kommissarin erschien.
»Aufstehen! Nicht ohnmächtig werden!«
Die Hand mit der Waffe wanderte in einer Kreisbewegung herum, und die Fratzen, die sich schon wieder näherten, wichen zurück.
Benn rappelte sich auf und stolperte auf den Ausgang zu. Hinter ihm hielt die Kommissarin rückwärtsgehend mit der Waffe die wütend brüllende Meute in Schach.
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Duvall starrte erleichtert auf das Handy.
Nach einem ganzen Tag voller Nervosität und unentwegter Wachsamkeit war der Vorschlag, das Versteck zu wechseln und an einem anderen Ort auf seine Rettung zu warten, wie ein Nadelstich in einen Ballon, aus dem dann die Luft entwich.
Die Erkenntnis, dass er in seinem Versteck nicht mehr sicher war, weil Ferrand oder Kemper es vielleicht verraten würden, war ihm am Morgen in die Glieder gefahren wie der Blitz in einen Baum.
Selbst die beruhigenden Worte seiner Auftraggeber, die er unter der beim ersten Kontakt mitgeteilten Notnummer um Hilfe gebeten hatte, waren nicht mehr gewesen wie ein Eimer Löschwasser bei einem Waldbrand. Und mit jeder Stunde war seine Nervosität gestiegen.
Aber jetzt war alles anders.
Der Ort, den sie eben bei dem Anruf vorgeschlagen hatten, zeigte, dass sie mitdachten. Das neue Versteck lag nicht allzu weit entfernt und abgelegen. Sie hatten es ausgesucht und würden wissen, wie sie hinkamen, um ihn rauszuholen. Er wollte noch den anstehenden Kontrollanruf mit Ziegler abwarten, dann würde er zusammenpacken und verschwinden.
»Was haben Sie erreicht?«, fragte Duvall barsch, als sich Benn Ziegler meldete.
»Wir wissen jetzt, wo wir die Unterlagen wahrscheinlich finden werden. Aber wir müssen erst noch eine lange Reise machen.«
»Sie wollen mich hinhalten«, sagte Duvall misstrauisch, der vor der Tür des kleinen Häuschens stand.
»Nein. Seien Sie doch froh, dass wir jetzt schon so weit gekommen sind.«
»Und wo müssen Sie hin? Ich will es wissen.«
Er will Zeit schinden, dachte Duvall, als Benn Ziegler schwieg und dann herumdruckste. Der Kerl braucht wieder eine Abreibung.
»Ziegler, Ihre Frau ist immer noch in meiner Gewalt. Ich gehe jetzt zu ihr und tue ihr weh. Oder Sie sagen mir, wo Sie die Unterlagen finden wollen.«
Duvall stand bereits im Flur und trat die Tür mit dem Fuß auf. Seine Gefangene lag immer noch gefesselt vor der Heizung auf dem Boden und drehte sich erschrocken um.
»Ich bin jetzt bei ihr. Wie also entscheiden Sie sich?«
»Ich will ihre Stimme hören, dann bekommen Sie die Antwort.«
»Ich bin beeindruckt.« Duvall war kurz davor, es auf die Spitze zu treiben. Es kam ja gar nicht in Frage, dass Ziegler ihm Vorschriften machte. Aber gleichzeitig musste er noch den Auftrag seiner Leute beachten, er solle möglichst viele Informationen fischen und dann an sie weitergeben. Es würde nicht zu seinem Schaden sein, hatten sie gesagt.
»Sie sagen mir, was ich wissen will, und dann können Sie Ihre Frau einen Satz sprechen hören.
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