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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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ihr Herrscher « , sagte er nur. » Ich muss dir nichts beweisen. «
    Er war Herrscher. Irene konnte es spüren. Die Macht, die er aus diesem Kraftort gezogen hatte, ließ keinen Zweifel daran, was er war. » Lehnsherr « hatte Perjanu ihn genannt, doch nur deshalb, um Irene einen Rang zu vermitteln, nicht eine Funktion. Irene bezweifelte, dass in Esterons Reich ein mittelalterliches Lehnssystem etabliert war. Gefragt hatte sie allerdings nicht.
    » Es gibt einen Teil von Talunys, den wir nicht kennen « , gab Perjanu zu bedenken.
    » Wenn sie dort sind … « Esteron ließ den Satz unbeendet, doch Irene konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass er nichts Erfreuliches sagen wollte.
    » Was ist jetzt mit Una? « , fragte sie die Göttin.
    Die lachte. » Das hast du doch gesehen. Sie rennt. Sie müht sich. Sie lebt. Noch. «
    » Und jetzt? «
    » Das hier, Friedensliebchen, ist keine Fernsehserie. Hier gibt es keine Fortsetzung nach dem Cliffhanger. Du wolltest eine Antwort. Du hast eine Antwort. «
    Macha strich abermals die Wogen des Teichs glatt. Irene spielte. Ein neues Bild erschien auf der Oberfläche: Einhörner auf einer Waldlichtung vor einem Gebirge. Manche lagen am Boden. Manche bluteten. Sie waren nervös, rollten ihre großen Pferdeaugen und warfen die behornten Köpfe nach oben. Hinter der Lichtung ragte ein finsteres Gebirge endlos in den Himmel. Etwas bewegte sich im Gebüsch, kam auf die Gruppe zu, kleine gedrungene Formen, die sich im Dunkel des Bildes kaum ausmachen ließen. Doch sie kamen näher.
    » Enygme! « , flüsterte Esteron, und die Intensität seiner Stimme ließ Irene aufhorchen.
    » Die Fürstin hat eine Schlacht geschlagen « , mutmaßte Perjanu.
    » Das Gefecht ist noch nicht vorbei! « , rief Esteron bestürzt. » Siehst du das nicht? «
    Machas leises Lachen erklang von jenseits des Weihers. Die Göttin war amüsiert. Ihre Augen blitzten vor Vergnügen.
    » Willst du ihr nicht helfen, Fürstchen? Hier kannst du zu ihr , aber nur solange du sie noch siehst. Direkt zu ihr. Willst du deiner Fürstin nicht beistehen? Sie wird dich brauchen. Du hast versprochen, in dein Reich zurückzugehen … «
    » Ich habe gar nichts versprochen … «
    » Hier kannst du nichts ausrichten. Dein Volk ist dort. Deine Liebste ist dort. Und offenbar ist sogar dein Sohn dort. Geh. Jetzt. Bevor das Bild vergeht. Keine Zeit für langes Nachdenken! «
    Esteron blickte Perjanu an, dann Irene.
    » Irene « , flüsterte er.
    Ein abgrundtiefes Grauen erfasste Irene, als sie begriff. Er würde sie zurücklassen. Hier in den Eingeweiden der Erde ohne Ausweg würde er sie zurücklassen und nie wiederkommen. Das konnte er doch nicht tun! Sie konnte den Rückweg nicht einmal sehen, geschweige denn finden. Sie würde hier mutterseelenallein sterben!
    Sie blickte ihn panisch an, sah dann zur Göttin und wieder zu ihm zurück. Macha hatte die Hand erhoben, die über dem Wasser schwebte, um es zu verwirbeln.
    » Jetzt, Fürstchen! Jetzt oder nie. «
    » Nimm mich mit! « , rief Irene. » Lass mich nicht allein hier. Nimm mich mit!! «
    » Nicht aufhören zu spielen! « , brüllte die Göttin sie an. Irenes Geige war unwillkürlich verstummt, und das Bild im Wasser verblasste bereits.
    » Spiel! « , schrien nun alle. Sie konnte nicht mehr unterscheiden, wer ihr den Befehl gab, doch sie spielte. Ein verzweifelter Blick aus blauen Augen traf sie, und sie wusste, dass es ein Abschied für immer war. Der Mann, der sie die beiden letzten Nächte in den Armen gehalten hatte, ging, verschwand in einer anderen Welt und ließ sie hilflos in einem Grab tief in der Erde zurück.
    Er zog eine seltsame Krone aus seiner Kleidung und setzte sie sich fest auf den Kopf. Dann packte er seinen Ratgeber am Arm und sprang. Das Wasser gischtete auf. Weißer Schaum spritzte in die Höhe. Tropfen benetzten Irene und ihr Instrument.
    War das Bild noch da gewesen? Oder war es schon vergangen? Wo würden sie enden, die beiden Einhörner, die sich in ihrem Leben breitgemacht hatten, nur um sie dann wieder zu verlassen? Würden sie am Ort des Kampfes sein? Oder ganz woanders?
    » Spiel! « , befahl die Göttin. » Spiele und hör nicht auf. Solange du spielst, besteht eine Verbindung. Wenn du aufhörst, wirst du hier allein sein. Im Dunkeln. Wie lange braucht ein Mensch, um im Dunkeln zu verhungern? «
    » Ich weiß es nicht! « , flüsterte Irene. » Du bist die Spezialistin für den Tod. «
    Die Göttin lachte. » Stimmt. Doch du hast

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