Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)
geschworen, meine Aufgabe zu erfüllen. Und dies ist sie nun. Ich will dich hören können auf der anderen Seite der Welten. Du bist mein Wegweiser, meine Drachenschnur. Fiedle fleißig, und wenn du eine Pause brauchst, so singe dabei und singe schön, und wenn du nicht mehr singen kannst, dann spiele deine kleine Flöte. Wenn dir da die Luft ausgeht, so nimm die Geige und fang von vorne an. Spiel mit Seele und Inbrunst, spiel mit allem, was du hast und bist. Spiel, Friedensliebchen. Spiel! «
Die Göttin stand von ihrem Thron auf, und ihr Held stellte sich neben sie.
» Krieg im Einhornland. Eine so putzige Idee. Das sollte man sich zumindest anschauen. « Sie kicherte. Dann trat sie einen Schritt vor zum schwarzen Weiher.
» Du kannst mich doch hier nicht allein lassen! « , rief Irene verzweifelt, während sie weiter Note an Note setzte. » Allein unter ich weiß nicht wie vielen Metern Fels! «
» Woher willst du wissen, ob du hier wirklich ganz allein bist? « Macha lachte giftig. » Was siehst du schon in der Dunkelheit? Und spring uns nicht hinterher. Du besitzt nicht die Seele einer Nymphe. Und du bist keine Göttin, nur eine kleine, vorwitzige Eso-Schlunze und Duftkerzenbespaßerin. Wir wollen doch nicht, dass du hier im Tümpel ertrinkst. Denk nur an die Umweltverschmutzung! «
» Was ist mit Una? « , fragte sie und stimmte die Hornpipe erneut an. » Ich will Una … «
» Du willst, dass deine Tochter hierherkommt? Zu dir in die Dunkelheit? «
Nein. Das wollte sie nicht. Irene wusste nichts darauf zu sagen, spielte nur weiter.
» Oder willst du, dass ich mich um sie kümmere? «
Krieg und Tod sollten sich nicht um Una kümmern. Das war das Letzte, was Irene wollte.
» Du nicht! « , sagte sie denn auch. » Ich will, dass sie lebt und glücklich ist. Garantiere mir das! «
Wieder lachte die Frau in Schwarz nur. » Ich bin der Krieg « , sagte sie. » Der Krieg gibt keine Garantien. Nur Chancen. Deine Chance besteht darin, hier zu spielen. Spiel, Schokoladendruidin, spiel! Vielleicht wird dann ja alles wieder gut? Und schön? Und lieb? Und nett? « Irene glaubte Macha kein Wort.
Doch sie spielte. Ihr Spiel hielt die Verbindung aufrecht. Solange diese bestand, gab es Hoffnung. Etwas anderes zu denken, war unmöglich. Wenn es nichts mehr gab außer Dunkelheit, dann musste es wenigstens Hoffnung geben.
Sie merkte, dass ihr Tränen über die Wangen liefen. Tränen der Wut und der Verzweiflung.
Mit ihrem Helden neben sich trat Macha auf die Wasseroberfläche, als wäre sie aus Eis. Dann versanken beide blitzschnell darin, ohne dass sich auch nur eine Welle hob. Sie waren fort, und der Wasserspiegel war glatt und schwarz. Nichts konnte Irene darin erkennen. Vielleicht gab es auch nichts auf der anderen Seite.
Doch so lange auch nur die Möglichkeit bestand, dass Macha die Wahrheit gesagt hatte, würde sie spielen. Bis sie umfiel. Bis zum Tod.
» Esteron « , flüsterte sie, doch ihr fiel nichts weiter ein. Er hatte sie verlassen.
Kapitel 75
Una hörte die Kentauren, bevor sie sie sah. Sie wusste nicht, wie viele es waren, die vor ihr gleich um die Ecke biegen würden, doch die Hufe knallten laut auf dem Steinboden. Panisch hielt sie inne.
Wohin jetzt?
Sie drehte sich hastig um. Sie musste zurück, doch hinter ihr tauchten nun lautlos wieder ein paar Menschen auf. Es waren nicht alle damit einverstanden gewesen, sie gehen zu lassen. Nur eine kleine Gruppe war bereit gewesen zu glauben, sie wäre wirklich die Prophezeite. Una glaubte es ja selbst nicht. Das ganze Erlöserinnen-Konzept erschien ihr fragwürdig – zumal auf sie selbst angewandt. Doch sie hatte keine Zeit, darüber nachzugrübeln. Die Menschen rannten auf sie zu. Wie erstarrt stand Una da und wusste nicht, in welche Richtung sie laufen sollte. Die eine war so schlecht wie die andere.
Schon hatten die Menschen sie eingeholt. Zwei von ihnen packten sie am Arm. Sie wurde unsanft zur Seite gezerrt, dann stürmte der Rest der Menschen an ihr vorbei.
Vorbei?
Noch bevor Una das überhaupt begreifen konnte, hatten die beiden, die sie hielten, sie zu einem kunstvollen Relief an der Wand gezogen. Una sah nicht, was sie taten, doch ehe sie sichs versah, schwang eine Tür auf, und Una wurde hindurchgestoßen. Dann schloss sich die Tür hinter ihr – vermutlich genauso unsichtbar, wie sie eben gewesen war. Eine enge Gesindetreppe führte nach oben.
Von jenseits der Tür erschallte nun Geschrei und Getöse. Die Menschen waren auf die
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