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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Kentauren gestoßen. Sie schienen einander nicht zu mögen. Unas Gedanken schwirrten wild durcheinander. Sie hatten sie vor den Kentauren gerettet. Also waren diese Menschen – vielleicht – nicht ihre Feinde. Zumindest, so lange sie nicht herausfanden, dass sie nur Una Merkordt war und nicht die Prophezeite.
    Sie blickte die etwas düstere, steile Treppe an und begann dann, die Stufen zu erklimmen. Schon wieder Treppensteigen. Sie hätte so gerne etwas geschlafen oder sich wenigstens ausgeruht, doch in dieser Situation schien ihr das keinesfalls opportun.
    Nur weg. Dem Unheil immer gerade einen halben Schritt voraus. Nie hatte sie Zeit, darüber nachzudenken, was sie denn langfristig tun sollte, um sich aus dieser grauenhaften Situation zu befreien. Ein wenig Planung wäre sicher nicht falsch. Aber die Ereignisse jagten sie einfach vor sich her.
    Die Treppe wand sich nach oben. Von unten konnte sie immer noch gedämpft Geschrei hören. Ihr wurde bewusst, dass sich da jemand für sie schlug. Hatten die Menschen gegen die Kentauren überhaupt eine Chance? Auf dem Treppenabsatz ein Stockwerk höher lugte sie vorsichtig in den breiten Hauptgang. Er kam ihr bekannt vor, doch die Architektur ähnelte sich hier überall, eckig und protzig und dann wieder eckig und protzig.
    Sie schlüpfte gebückt aus dem Gesindezugang und stand nun wieder in dem Meistertrakt. Eine Doppeltür stand offen. Vorsichtig blickte Una sich um. Die Tür erinnerte sie an die, durch die sie mit Kanura gekrochen war, als sie sich beide vor den Kentauren versteckt hatten. Wenn sie recht hatte, befand sich vor ihr der Raum, in dem sie Kanura verloren hatte.
    Durch das nahe Treppenhaus konnte man immer noch Kampfgeräusche hören. Auf Zehenspitzen eilte sie zur Tür und spähte in den Prachtraum dahinter. Sicher konnte sie sich nicht sein, aber es schien tatsächlich der Raum zu sein, in dem die Kentauren Kanura geschnappt hatten. Vorsichtig trat sie ein. Einen Schritt, noch einen. Dann schnell zur Seite.
    Auf dem Boden sah sie Blut. Eine breite Blutspur zog sich verschmiert von der Mitte des Raumes zu den Doppeltüren, die das letzte Mal geschlossen gewesen waren.
    Jetzt standen sie offen.
    Una beschlich die grausame Ahnung, dass das hier Kanuras Blut war. Man hatte ihn in den nächsten Raum geschleift. Sie drückte sich an der Wand entlang, damit man sie nicht sah. Doch so konnte auch sie nicht sehen, was jenseits der Türen geschah. Dass etwas passierte, konnte sie jedoch hören. Die Geräusche mochten von einem Kampf zeugen, auch wenn sie sehr leise waren. Man hörte Ächzen und Schnauben, den einen oder anderen Schmerzenslaut, alles klang leise und gedämpft.
    Vielleicht war es Kanura, der da kämpfte. Sie musste ihm zu Hilfe kommen. So wie auch er ihr immer zu Hilfe gekommen war. Und überhaupt ertrug sie den Gedanken nicht, dass er sterben oder gar schon tot sein könnte.
    Una versuchte, sich zu sammeln, während sie weiter an der Wand entlangkroch, doch jegliche Logik entglitt ihr wie nasse Seife.
    Wenn Kanura tot war, war alles zu spät. Doch wenn er dort nicht kämpfte, wer dann? Und konnte man davon ausgehen, dass zumindest einer der Kontrahenten auf ihrer Seite war? Wer war schon auf ihrer Seite – außer den Menschen, für die sie irgendeine bescheuerte Prophezeiung erfüllen sollte, von der sie keine Ahnung hatte?
    Egal. Sie hatte die Flügeltür nun erreicht und kauerte sich nieder. Die Tür ragte in diesen Raum herein. Ganz vorsichtig lugte sie um das Holz herum und erstarrte.
    Als Erstes nahm sie die daliegenden Körper wahr. Sie hatte die Herren der Burg gefunden, und sie waren tot. Das sollte sie beruhigen, doch das tat es nicht. Tatsächlich entsetzte es sie.
    Als Nächstes wurde sie der Kämpfer gewahr. Einen von ihnen erkannte sie als den Anführer der Kentauren, die sie und Kanura gefangen genommen hatten. Der Zweite war ein Wesen, von dem Una noch nicht einmal wusste, was es war. Kanura hatte so etwas beschrieben. Pelzschrat hatte er es genannt. Doch sie hatte es sich nach seiner Beschreibung viel kleiner vorgestellt. Dieses Wesen war groß wie ein Pony und grotesk. Es war rund und kurzbeinig, voller struppiger Haare, und man konnte kaum ausmachen, wo vorne und hinten war. Es schien fast überall lange, spitze Zähne zu haben. Und trotz seiner Rundlichkeit war es erstaunlich behände und ausgesprochen aggressiv. Wie ein Ball schnellte es vor und zurück, biss Stücke aus dem Fleisch des Gegners, der wiederum mit je einem

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