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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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gesehen. Manchmal hatte sie ihre Essenz wahrgenommen, die gebündelt in den Berg strömte, doch für Eryennis nicht greifbar war. Die Macht hatte ein anderes Ziel. SIE .
    Eryennis spürte, dass sie längst jeden Wert für ihre Gastgeberin verloren hatte. Sie hatte für SIE den Krieg ausgelöst, damit hatte sie ihre Aufgabe erfüllt. Zu mehr war sie nicht gut.
    Sie zog sich an der grauschwarzen Höhlenwand empor. Der Gang verlief nicht gerade, und man konnte nicht weit sehen, nur bis zur nächsten Biegung. In einem endlosen Gebirge war es vermutlich einerlei, in welche Richtung man rannte, solange man nur fort kam.
    Sie entschied sich für die Richtung, aus der sie die zarten Stimmen vernommen hatte. Sie begann zu laufen. Jeder Schritt schmerzte. Ruß- und Kohlepartikel brachen und splitterten von ihrer verkohlten Haut. Sie hinterließ eine schwarze Staubspur, die sich allerdings auf dem dunklen Boden verlor. Nur kurz hielt sie inne und zwang sich, ihre Sinne zu öffnen, diese so überlegenen Sinne, auf die sie immer so stolz gewesen war.
    Schmerz. Es war, als müsste sie die Tür zu sich selbst eintreten. Jeder Pfad der Wahrnehmung schien geschlossen, vom Feuer zugeschmiedet. Es fühlte sich an, als wüchsen die feuerharten Schuppen ihres Kopfes direkt aus ihrem Gehirn und wollten von dort heraus explodieren. Der Schmerz ließ sie taumeln, kaum dass sie den Boden unter ihren kohlschwarzen Füßen noch spürte.
    Doch sie musste vorwärts. Sie hatte diese vage Idee von Wesen, die ihre Seele löschen konnten. Sie wusste nicht, wo sie waren oder wer oder auch nur warum. Doch die Idee, dass sie hier irgendwo sein mussten, ließ sie nicht los.
    Der Gang machte einen Bogen, und fast schlitterte sie in das Wesen, das ihr entgegenkam. Ein Schrat. Er war klein. Sie hatte hier schon größere gesehen, doch auch die kleinen waren gefährlich und taten, was SIE ihnen auftrug. Schon hatte er sein zahniges Maul aufgerissen und waberte auf sie zu.
    Sie entging seinem Biss nur um Fingerlänge. Sie versuchte, zurückzuweichen, ohne sich umzudrehen. Sie sollte sich wandeln, doch hier war es zu eng für ihre wirkliche Gestalt.
    Ihre Hornklinge glitt ihr in die Hand. Nun hätte sie schnell zustoßen sollen, doch sie erschrak, als sie ihre Waffe sah. Sie war schwarz – so schwarz wie der Rest ihres Körpers. Das Entsetzen ließ Eryennis erstarren.
    Schon waren die Zähne wieder da, ein Kiefer, so breit wie das ganze Ungeheuer. Es schien nur aus Zähnen zu bestehen.
    Eryennis stolperte rückwärts und fiel.

Kapitel 83
    Esteron lag keuchend auf dem Waldboden neben einer Quelle, in die er nicht einmal als Fohlen hineingepasst hätte. Neben ihm japste Perjanu.
    » Wo sind wir? « , fragte der Fürst atemlos. » Ich dachte, wir kommen bei der Schlacht an. «
    » Das Kaleidoskop des Seins hat sich verschoben, während wir noch im Transit waren. Oder Macha hat ihre Macht spielen lassen « , erklärte Perjanu schnaufend. » Aber wir sind wieder in Talunys. «
    Esteron nickte.
    » Ich kann sie spüren, die Einheit mit dem Land. Unserem Land. « Er griff dankbar mit den Fingern in die Erde, dann rappelte er sich hoch. » Doch wo ist Enygme? Wo sind meine Ra-Yurich? «
    Es war still. Nicht einmal ein Vogel sang in diesem Wald. Der Schatten der Trutzberge lag dunkel über den Bäumen, drückte die Farben, drückte die Gemüter, drückte alles nieder. Es war, als beobachteten sie unsichtbare Augen.
    Esteron half Perjanu auf die Beine. Dieser drehte sich langsam um sich selbst, während er gleichzeitig versuchte, Wasser aus seinem Ohr zu schütteln.
    » Dort! « , sagte er dann. » Diese Richtung. « Er deutete in Richtung der Berge. Esteron nickte und wandelte sich.
    » Wir müssen uns beeilen! « , drängte der Fürst. Schon stand auch Perjanu in Einhorngestalt neben ihm. » Ich habe kein gutes Gefühl. Ich hätte Enygme nie allein lassen dürfen. « Er schluckte. » Natürlich hätte ich auch Irene nicht allein lassen dürfen … «
    » Nicht einmal du, mein Fürst, kannst dich zweiteilen. «
    » Ihr Tod in einer Höhle, aus der sie ohne Magie nie mehr entkommen kann, wird mich bis ans Lebensende mit Schuld beladen. «
    » Ich könnte dir sagen, dass sie freiwillig mitkam und Macha ihr Gelübde gab, ohne dich um Rat zu fragen. Sie würde nie etwas anderes sein wollen als eine freie Frau, die ihre eigenen Entscheidungen trifft und zu ihnen steht. «
    » Das tröstet mich nicht. Ich habe mehr als nur ihren Körper geliebt. Ich bin ein Tyrrfholyn.

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