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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Nimm deine Rückentasche und steig auf! «
    Ohne Widerrede schob Una hastig ihre steifen Arme durch die Riemen ihres Rucksacks. Ihre Satteltaschen konnte sie nicht mehr sehen. Dann trat sie neben das riesige Ross, das natürlich weder Sattel noch Steigbügel hatte.
    » Du bist ziemlich groß! « , murmelte sie. » Wie soll ich da raufkommen? «
    Kanura beugte sich mit den Vorderfüßen runter wie ein Zirkuspferd.
    » So besser? Beeil dich. Mach schon! «
    Jetzt hörte sie es auch. Von fern kam ein Donnern – und das war kein nahendes Gewitter. Vielmehr hörte es sich nach Hufen an. Einer Menge Hufe. Stampede? Kavallerie? Indianer? Dschingis Khan und die Goldene Horde?
    Etwas ungeschickt kletterte Una auf den Rücken des Einhorns, das sich mit einer eleganten Bewegung wieder aufrichtete.
    » Halt dich gut fest! « , befahl er, dann galoppierte er aus dem Stand an.
    Panisch drückte Una dem Pferd die Beine in die Flanken und krallte sich in die Silbermähne.
    » Woran denn bitte? « Pferde hatten keine Haltegriffe. Früher oder später würde sie bei dem rasenden Tempo runterfallen. Kanura war wirklich sehr groß. Von oben schien er noch höher als von unten. Und dies war keine Reitschule mit weichem Sägemehlboden. Trotz der Geschwindigkeit warf sie einen Blick hinter sich. Sie musste einfach wissen, wovor Kanura so Respekt hatte.
    Una hielt den Atem an: In einer Reitschule verfolgte einen nicht eine ganze Herde von Kentauren.
    Oder war es eher eine Armee?

Kapitel 33
    » Man hat ihn unweit des Flusses gefunden. Er ist tot « , berichtete Aruyen der Hrya. » Es sah zunächst so aus, als wäre er ertrunken, doch seine Arme weisen Abwehrverletzungen auf. Er muss sich gegen seinen Angreifer gewehrt haben. «
    Enygme blickte besorgt in die Runde. Sie hatte den Rat um sich versammelt. Er bestand aus den Abgeordneten der drei Sippen der Tyrrfholyn und zweier Menschen in beratender Funktion.
    » Wie bei Edoryas? « , fragte sie. » Hat man ihn nicht auch so gefunden? «
    » In der Tat « , antwortete Tenderyn beflissen. » Gherit Schwertmachers Tod … «
    » Aber Edoryas ist weit fort ermordet worden « , unterbrach ihn Enygme so sachlich wie möglich. » Er war allein unterwegs. Dieser Mord hier ist in der Nähe Kerr-Dywwens geschehen. Auf unserem Gebiet! «
    Die Versammlung saß in Menschengestalt um einen großen, runden Tisch. Die menschlichen Traumwerker hatten ihn gebaut und Tafelrunde benannt. Er war mit Intarsien verziert, die stilisierte Kampfszenen darstellten, in denen kämpfende Recken, in den Augen der Einhörner recht unförmig gewandet, auf Pferden gegeneinander antraten. Dass das im Grunde den Tyrrfholyn gegenüber ein wenig unhöflich war, war ihnen beim Anfertigen des Tisches nicht aufgefallen. Sie hatten sich auf eine Menschenlegende bezogen, in der es um einen gerechten König und seinen nicht minder gerechten Tross ging. Enygme hatte die Geschichte nie richtig verstanden, was vermutlich daran lag, das sie aus einzelnen Erinnerungsstücken verschiedener Generationen von Menschen zusammengestückelt war. Doch der Tisch war im Lauf der Jahrzehnte zum Zentrum der Beratungen geworden, und vielleicht musste man auch nicht verstehen, was die Menschen an einem längst verstorbenen König fanden, der in einer anderen Welt gelebt und sich fast ausschließlich mit Krieg befasst hatte.
    » Ich habe angeordnet, dass die Wachen nur noch zu zweit unterwegs sind « , fügte Enygme hinzu.
    » Es war wohl ein Fehler, die Menschen allein patrouillieren zu lassen « , sagte Tenderyn und sah Enygme ruhig an.
    » Sie sind schwach im Vergleich zu uns. Das stimmt « , räumte Enygme ein. » Aber es wäre falsch, sie zu unterschätzen. Wir brauchen einander. «
    » Ich unterschätze sie nicht « , gab Tenderyn zurück. » Ich nicht. « Er warf einen argwöhnischen Blick auf die anwesenden menschlichen Berater. Es war klar, dass er sich einen weiteren Kommentar versagte.
    » Was wollt Ihr damit andeuten, Schanchoyi Tenderyn? « , fragte Venja etwas argwöhnisch, eine weißhaarige Frau, die unter den Menschen als weise galt und auch unter den Tyrrfholyn den größten Respekt genoss.
    Tenderyn zuckte mit den Schultern. Seine rote Mähne hing ihm in die Stirn. Den Rest seiner Haare trug er geflochten in einem Zopf. Seine Kleider passten zu seiner Färbung, waren in unterschiedlichen Rottönen gehalten und mit Stickereien verziert.
    Er blickte die Weißhaarige lange an, bevor er antwortete.
    » Bei allem Respekt, Buchmeisterin « ,

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