Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)
begann er, und das Wort » Respekt « klang etwas seltsam. » Es darf keine Möglichkeit unausgesprochen bleiben. Die Menschen sind fremd in Talunys. Und Morde sind uns ebenso fremd. «
» Das ist sehr weit hergeholt, edler Tenderyn « , schalt Enygme. » Und in der gegenwärtigen Situation nicht zielführend. Das Töten von Kreaturen ist nichts, das nur Menschen vermögen. «
» Und was hätten wir auch davon? « , fragte Venja Buchmeisterin. » Wir leben hier seit Generationen. Wir sind hier zu Hause. Niemand von uns kann zurück. Und niemand will zurück in eine Welt, die keiner mehr von uns kennt. Hier geht es uns gut. Warum sollten wir einen blutigen Zwist mit den Tyrrfholyn vom Zaun brechen, die sowohl in der Überzahl als auch stärker und mächtiger sind? Was hätten wir zu gewinnen? Wir haben die Vorherrschaft der Tyrrfholyn nie angezweifelt. «
» Das stimmt so nicht! « , widersprach Tenderyn. » Die Menschen haben sich oft genug als höherstehend gesehen und uns als Tiere wahrgenommen. Eure Anpassung ist doch nur … «
» Unsere Anpassung ist ein Akt des freien Willens und der Vernunft. Trotzdem sind wir Menschen und keine Tyrrfholyn. «
» Menschen sind nicht immer vernünftig. Die Berichte über eure Kriege zeigen das. «
» Tyrrfholyn sind auch nicht immer vernünftig. Und es ist nicht so, als hätte es hier nie einen Krieg gegeben. Es ist nicht richtig, uns für Geschehnisse verantwortlich zu machen, die wir weder gewollt noch verursacht haben. Was hätten wir davon? «
» Was, in der Tat? « , beschwichtigte Enygme. » Tenderyn, wir wollen uns hier beraten und nicht gegenseitig die Schuld zuschieben. Das bringt uns der Lösung nicht näher und stiftet nur Unfrieden. Und das können wir jetzt am wenigsten gebrauchen. Unter uns muss Eintracht herrschen. Wer immer Krieg und Mord zu uns trägt, kommt von außen, und wir müssen ihn gemeinsam bekämpfen. «
» Hrya-Enygme « , sprach Tenderyn. » Ihr habt mich in den Rat berufen, weil Ihr meine Meinung hören wolltet. Nun hört sie auch. Es wäre falsch von mir, nicht alle Möglichkeiten abzuwägen. Ihr wisst so gut wie ich, dass das Denken der Menschen von den unterschiedlichsten Motiven gelenkt wird. «
» Das Denken der Tyrrfholyn nicht minder « , warf Meryon, eine Tante von Enygme ein. Wie Venja war auch sie schon alt. » Doch die Uruschge sind kein Märchen. Der Trupp, der den Hra rettete, hat sie gesehen und bekämpft. Ihr Bosheit war augenscheinlich, und ihr mörderisches Vorgehen hätte unseren Fürsten und den Obersten Schanchoyi fast das Leben gekostet. Und Kanura … « , sie stockte und ließ den Satz unbeendet. » Ich kann mir nicht denken, wie die Menschen in dieses Bild passen. «
» Könnt Ihr nicht? « , fragte Tenderyn. » Möglichkeiten gibt es immer. Ich sage ja nicht, dass es so war. Und überhaupt – wo halten sich der Hra und der Oberste Schanchoyi auf? Wohin sind sie so plötzlich und spurlos verschwunden? Mitten in dieser Krise. «
Eine geschwungene Augenbraue Enygmes zuckte.
» Ich weiß es nicht. Peter Buchmeister hat sie zur Schatzkammer geführt. Sie suchten nach einem Edelstein, sagte er, einem Stein, der ihnen helfen würde, Kanura zu finden « , berichtete Enygme und fügte dann etwas hektisch hinzu: » Und natürlich Eryennis. «
» Und natürlich Eryennis « , äffte Tenderyn sie nach. » Um sie scheint sich bei alldem keiner Gedanken zu machen. Sie ist ebenso verschwunden. Doch was schert das die Ra-Yurich? Lieber macht man sich Gedanken um einen toten Menschen. «
» Gherit Schwertmacher patrouillierte an der Yssen. Sein Tod muss uns eine Warnung sein, dass der Feind schon nah ist. «
» Oder mitten unter uns « , gab Tenderyn zu bedenken.
Enygme schwieg eine Weile.
» Gut, wir werden auch diese Möglichkeit nicht außer Acht lassen « , sagte sie dann.
» Hrya! « , begehrte Venja Buchmeisterin auf. » Ihr denkt doch nicht … «
Doch Enygme fuhr nur fort: » Ein Feind mitten unter uns könnte jeder sein, Mensch oder Tyrrfholyn. Und jedes andere Wesen mit genug Kraft und Arglist. «
» Hrya! «
Nun protestierten die anwesenden Tyrrfholyn entschieden.
» Ich weiß « , sagte Enygme. » Das ist kein schöner Gedanke. Wir wollen uns davon nicht beeinträchtigen lassen. Es ist allemal wichtiger, sich auf den Feind zu konzentrieren, den wir schon kennen: die Uruschge. Aber – und da gebe ich Schanchoyi Tenderyn recht und danke ihm für seine Mahnung – es darf keine Möglichkeit unbesprochen
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