Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)
bleiben. «
Ein beklemmendes Schweigen legte sich über die Versammlung.
» Und wo sind nun der Hra und Perjanu? « , fragte Venja.
» Wir wissen es nicht. Niemand weiß es « , antwortete die Hrya so sachlich wie möglich und versuchte eisern, ihren tiefen Schmerz zu verbergen. » Niemand außer ihnen selbst, und wir müssen hoffen, dass sie gemeinsam genug Weitsicht, Kraft und Weisheit besitzen, um alsbald zu uns zurückzukehren. Mit Kanura. Bis dahin müssen wir uns überlegen, wie wir gegen die Uruschge vorgehen. Gemeinsam. Esteron … tut, was er tun muss. Dessen bin ich sicher. «
» Aber er ist nicht hier « , murmelte Tenderyn. » Der Krieg naht, und der Hra fehlt. Ist er der Aufgabe nicht gewachsen? «
» Wir werden über die Sinnhaftigkeit seines Handelns befinden, wenn er wieder da ist, um uns darüber zu berichten. Und keinen Augenblick früher. Ich habe ihn mit einer Aufgabe betraut, die er zu erfüllen versucht « , sagte Enygme mit fester Stimme, dabei hob sie stolz den Kopf. » Ich werde diesen Kampf mit euch allen führen. Denn ich bin die Hrya. «
Kapitel 34
Zu jeder anderen Zeit hätte Una den gestreckten Galopp vielleicht genießen können. Kanura war ungeheuer schnell. Seine gespaltenen Hufe donnerten über den felsigen Grund. Seine Gangart war weich und elegant.
Dennoch saß sie nicht sicher auf seinem Rücken. Sein goldblondes Fell war glatt, und Una war Sattel, Steigbügel und Zaumzeug gewohnt. Sie hatte sich in seine silberblonde Mähne verkrallt, ihre Beine so gut es ging an seinen mächtigen Körper gelegt und versuchte, so synchron wie möglich mit seinen Bewegungen mitzugehen. Der Wind pfiff ihr um die Ohren. Ihre Gedanken liefen ihr in Fetzen durch den Kopf, brachten ihr die Gewissheit, dass sie verloren waren. Sie würden dieser Übermacht an Verfolgern nie entkommen können.
Sie hatte sich nur einmal umgesehen, dabei aber sofort an Halt eingebüßt. Nun blickte sie sich nicht mehr um, starrte nur zwischen Kanuras aufgestellten Ohren nach vorne, konzentrierte sich darauf, nicht auf der einen oder anderen Seite plötzlich das Übergewicht zu bekommen und herunterzurutschen. Wenn sie erst einmal den Halt verlor, war alles zu spät, sie würde sich zuerst alle Knochen brechen und dann von einer Herde Kentauren in den Staub getreten werden.
Una wusste, dass sie Kanura vertrauen musste, auch wenn es keinen Beweis gab, dass sie bei ihm sicherer war als bei den nachfolgenden Kentauren. Der kurze Blick hatte ihr allerdings gezeigt, dass die Verfolger nicht freundlich und wohlgelaunt aussahen. Der Ausdruck auf ihren menschlichen Gesichtern hatte rücksichtslose Entschlossenheit gezeigt. Da war ihr ein Einhorn weitaus lieber, als so ein Gaul mit menschlichem Oberkörper – diese Kreaturen sahen so gänzlich unmöglich aus, dass es ihr graute.
Ihre Hände verkrampften sich bei dem Versuch, sich noch fester an Kanura zu klammern. Lange würde sie das nicht durchhalten. Sie war nie Rennen geritten, nie gut genug gewesen; Una kam der unsinnige Gedanke, dass sie mehr Reitstunden hätte nehmen sollen. Aber Musik war ihr immer wichtiger gewesen.
Was wollten diese Kentauren nur von ihnen? Warum rannte Kanura überhaupt, wenn er, wie er sagte, auf der falschen Seite der Berge war und hier gar niemanden kennen konnte?
Und wohin rannten sie, wenn Kanura sich hier ebenso wenig auskannte wie sie selbst? Furcht durchströmte Una erneut, als sie daran dachte, was sie beide erwartete, wenn die muskelbepackten Zwitterwesen sie einholten.
Mit einem Mal kam sie ins Rutschen. Es ging so schnell, dass Una nicht einmal aufschreien konnte. Sie fiel, schlug hart auf den felsigen Boden auf, sodass es ihr die Luft aus den Lungen trieb. Im ersten Moment röchelte sie nur fassungslos nach Atem. Erst dann setzte der Schmerz ein, und erst als dieser sich in ihr mit Vehemenz breitgemacht hatte, begriff sie, dass sie verloren war.
Sie hatte weder genug Luft, um zu schreien, noch den Hauch einer Ahnung, was nun mit ihr geschehen würde. Una sah sich um und erschrak: Die Verfolger waren ungeheuer schnell. Als sie wieder zu Kanura blickte, sah sie, dass er sich im Galopp herumgeworfen hatte und sie mit seinen großen, braunen Augen ansah. Es war seltsam, bei einem Pferd einen verzweifelten Gesichtsausdruck zu sehen. Unschlüssig warf er sich auf seinen Hufen hin und her, dann kam er auf sie zu. Er kam tatsächlich zu ihr zurück.
» Schnell! « , sagte er. Doch Una konnte nicht schnell. Ihr tat alles weh, und sie
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