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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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beruhigende Piepsen irgendwelcher medizinischen Geräte hören. Sie würde dankbar jede Kanüle und jede Nadel in Kauf nehmen als Beweis, dass alles nur ein Traum gewesen war. Ein schrecklicher Traum, aus dem man nicht mehr zurückfand.
    » Ich will aufwachen! « , murmelte sie verzweifelt und öffnete die Augen. Aber alles war wie zuvor. Statt Kanura stand nun das Pferd mit Horn vor ihr.
    » Du bist wach « , sagte das Pferd. Seine Lippen bewegten sich dabei nicht, und dennoch kamen seine Worte direkt in Unas Gehirn an. Die Stimme war dunkel und weich. Das war Kanuras Stimme auch gewesen, doch sie hatte sie nicht so gespürt wie diese Stimme, nicht so direkt und nicht als Schwingung in ihrem Inneren.
    Mit einem Mal begriff sie, dass sie ihn deshalb von Anfang an verstanden hatte, obgleich sie nie gewusst hatte, welche Sprache sie eigentlich sprachen. Sie hatte seine Stimme gehört, und ihr Gehirn hatte automatisch angenommen, sie höre und verstünde das, was er sagte mit den Ohren, weil etwas anderes nicht denkbar war.
    » Pferd « , flüsterte Una fassungslos.
    » Einhorn « , korrigierte Kanura etwas pikiert. » Darauf lege ich Wert. Ich nenne dich auch nicht Äffchen. «
    » Es gibt keine Einhörner! «
    » Una, so glaube doch einfach deinen eigenen Augen, verdüngt noch mal! In eurer Welt gibt es überall Abbildungen und Legenden von Einhörnern, hat man mir erzählt. Wo sollten die denn herkommen, wenn es uns gar nicht gäbe? Wir sind nicht oft in eurer Welt gewesen, aber bisweilen doch. In den letzten Jahrhunderten allerdings nicht mehr. Die Pforten waren verschlossen. «
    Una merkte, dass ihr der Mund offen stand. » Einhorn « , flüsterte sie. » Ein verdammtes Einhorn. «
    Sie erhob sich langsam und musterte das Wesen. Als Ross war es beeindruckend. Die Palominofärbung war ausgeprägt, das Fell goldfarben, die Mähne platinhell. Es war vermutlich das schönste und prächtigste Pferd, das Una je gesehen hatte. Nur dass es eben kein Pferd war.
    » Einhorn! « , sagte sie noch einmal laut, als müsste sie den Begriff in ihren Kopf hämmern. » Verdammt! Ich bin in einem Disneyfilm gelandet. « Gleich würde irgendein Depp hinter einem Felsen hervorspringen und anfangen, fröhlich zu singen.
    Vorsichtig tat sie einen Schritt auf Kanura zu, blieb dann aber respektvoll stehen. Das Horn irritierte sie, es wirkte ebenso wehrhaft wie sein langes Messer. Sie versuchte zu begreifen, was sie vor sich sah, doch ihre Gedanken waren zu wirr.
    » Hab keine Angst, Una! « , sagte Kanura beinahe zärtlich.
    Ihre Hände zuckten. Fast übermächtig war der Impuls, das zu tun, was man mit Pferden tat, ihnen über die Nüstern zu streicheln und ein paar freundliche Klapse an den Hals zu geben.
    Aber eben noch war das ein Mann gewesen.
    » Du warst ein Mensch! «
    » Manche Kreaturen in Talunys sind zu mehr als einer Erscheinungsform in der Lage. Die Trennung zwischen Mensch und Tier verläuft hier anders. Fließender. Und ich bin kein Tier. Ich bin ein Tyrrfholyn. Wir sind die Herren über dieses Land. Mein Vater ist der Hra – der Fürst, wenn du so willst. «
    » Märchenprinz « , murmelte sie irritiert, dann begann sie zu kichern. Sie schlich seitwärts und umrundete ihn in respektvollem Abstand. Was für ein Prachtgaul! Ein Hengst – natürlich! Einen Fürstensohn würde man kaum zum Wallach kastrieren. Was für ein Hengst. » Ein Märchenprinz. Verdammt. Das habe ich mir anders vorgestellt! Scheißmärchenprinz! « Sie konnte nicht anders. Sie begann hysterisch zu kichern. » Eigentlich hätte ich vor dir sicher sein müssen. Ich bin nämlich keine Jungfrau mehr. «
    » Ich weiß « , sagte er nur.
    Sie stutzte. » Wieso weißt du das? «
    » Weil ich ein Einhorn bin. «
    » Ach, und ihr habt alle eine Jungfrauenfixierung? «
    » Nein. Wir spüren lediglich manches genauer als ihr. «
    » Aber … «
    » Una! Ist das jetzt wirklich wichtig? Wir sind auf der falschen Seite der Trutzberge. Der einzige Weg zurück ist wieder durchs Wasser, in der Hoffnung, dass wir dann in meiner Welt auf der richtigen Seite rauskommen und unterwegs nicht von den Uruschge gefressen werden. Oder wir kehren in deine Welt zurück. Wobei ich keine Ahnung habe, wo wir in deiner Welt herauskommen. Vermutlich ist überall möglich. Ist sie groß, deine Welt? «
    Una starrte ihn entsetzt an. Groß? Natürlich war die Welt groß. Und Quellen gab es nicht nur in Irland – oder mussten es irische Quellen sein? Konnten sie auch in einer Oase in der

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