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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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hatte noch nicht herausgefunden, welche Gliedmaßen sie überhaupt bewegen konnte. Der Aufschlag war ihr durch und durch gegangen. Mühsam versuchte sie, sich aufzustützen und auf die Füße zu kommen. Alles schmerzte, und der Schock des Sturzes saß ihr in allen Gliedern.
    » Schnell! « , drängte Kanura noch einmal. Doch da waren sie schon von ihren Verfolgern umzingelt. Keine Lücke zeigte sich zwischen den muskelbepackten Leibern.
    Kanura senkte sein Horn.
    » Tut ihr nichts. Sie steht unter meinem Schutz « , sagte er und stellte sich so dicht zu Una, dass sie seinen Hals von unten zu sehen bekam.
    Zuerst war nur verächtliches Schnauben zu hören, dann trat der größte der Kentauren einen Schritt vor. Er schien der Anführer zu sein. » Dein Schutz ist hier nicht den Dreck in deinen Hufen wert, Tyrrfholyn aus dem Süden « , gab er zur Antwort.
    » Was wollt ihr von uns? « , fragte Kanura.
    » Ihr gehört nicht hierher! « , kam die Antwort.
    » Wir werden so schnell wie möglich verschwinden und euch nicht weiter belästigen. Und ihr solltet das auch tun. Gehen wir einfach alle unserer Wege. «
    » Eine Drohung? « , fragte der Graue, und die Herde der Kentauren begann zu lachen, erst einer, dann wie eine Lawine alle. Es klang gekünstelt, als hätten sie nicht viel Übung darin. » Du willst uns drohen? «
    Der große Kentaur schlug sich selbstbewusst mit den Fäusten auf die Brust, über der schräg ein Bandelier mit grob gefertigten Stichwaffen geschnallt war. Als Una sich vorsichtig umsah, bemerkte sie, dass alle Kentauren so bewaffnet waren.
    » Ich bin Torgar, Herr der Kentauren nördlich der Trutzberge. Ihr seid meine Gefangenen. «
    » Was wollt ihr von uns? « , fragte Kanura wieder.
    » Das werdet ihr schon sehen! « , antwortete Torgar aggressiver als nötig. Vielleicht wurde er nicht gern gefragt. Vielleicht wusste er auch selbst noch nicht, was er mit seinen Gefangenen anstellen wollte. Una war sich nicht sicher, ob sie das beruhigend finden sollte.
    » Steh auf, Menschenweib, und lauf! « , herrschte der graue Kentaur sie nun an. » Hurtig. Wir wollen los. «
    » Sie ist ein Mensch. Sie kann nicht mithalten! « , gab Kanura zu bedenken. » Am besten, sie steigt wieder bei mir auf! « Er machte Anstalten, sich erneut zu bücken.
    Gerade als Una nach der Mähne greifen wollte, um aufzustehen, herrschte der Graue sie mit donnernder Stimme an: » Geh von dem Hornvieh weg, Menschenweib! «
    Una musterte ihn mit Entsetzen. Sie dachte, dass sie diese Sagengeschöpfe irgendwie schön finden sollte, doch tatsächlich fand sie sie nur erschreckend. Das graue Fell des Pferdeleibs wuchs dem Anführer bis zum Bauchnabel. Die Haut, die dann nackt in den Menschenteil des Wesens überging, war auch zunächst grau und gesprenkelt und wirkte irgendwie tot. Nicht einmal die Bewegung der Muskeln unter dieser ledrigen Haut vermittelte den Eindruck, dass man wirklich lebendes Gewebe vor sich hatte. Erst zum Hals hin wurde die Haut heller. Das Gesicht hatte eine fast normale Farbe, war aber unter einem dichten, wild wachsenden Bart versteckt. Das Haupthaar war struppig, auch die Arme wurden erst zu den Händen hin hell. Diese Hände waren wie riesige Schaufeln. Er war vermutlich nicht ohne Grund der Anführer.
    Sie war noch damit beschäftigt, den Oberkentauren anzustarren, als ein kleinerer, fuchsfarbener neben ihr auftauchte und sie am Arm in die Höhe riss. Vor Schreck schrie Una auf.
    » Sei still! « , herrschte der Fuchs sie an. Sein rotes Haar wuchs ihm vom Kopf über Nacken an der Wirbelsäule hinunter bis zur Kruppe und wurde dort zu einem Rest Mähne. Una starrte ihn mit fasziniertem Entsetzen an. Sie reichte ihm nicht mal bis zur Schulter. Diese Geschöpfe wirkten, als habe sich jemand nicht so recht überlegt, wie man zwei so unterschiedliche Kreaturen wie ein Pferd und einen Menschen sinnvoll und ästhetisch zusammenstellen sollte. In Büchern und Filmen waren Kentauren immer beeindruckend. Diese hier waren nur häßlich.
    Außerdem rochen sie nicht gut. Der wilde Ritt hatte sie schwitzen lassen, und wo Pferdeschweiß Una nicht wirklich störte, war die geballte Ladung Menschenschweiß schwer zu ertragen. Vermutlich wuschen sich die Wesen auch nicht oft. Wie auch? An die Hälfte ihrer Physis würden sie mit dem Waschlappen nie drankommen.
    Der Gedanke war verrückt. Sie sollte vernünftigere Dinge denken. Doch ihr Kopf war erschreckend leer, als versuchte er Platz zu machen für all die Dinge, die sie

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