Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)
wirklich gedacht, dass du mir etwas antust. «
Er nickte. » Das habe ich ja auch. Ich habe dich hierher verschleppt und fast ertränkt. «
» Das meine ich nicht. Ich hatte Angst, du würdest … « , sie verstummte, brachte es nicht über sich, ihm zu sagen, dass sie ihn für einen irren Triebtäter gehalten hatte.
Ganz langsam machte sich Verstehen auf seinen Zügen breit. Dann Entsetzen.
» Gewalt? « , fragte er. » Du hattest Angst, ich würde dir Gewalt antun? So etwas tue ich nicht! «
» Entschuldige « , murmelte sie.
» Schon gut. Du konntest es ja nicht wissen. «
» Vermutlich würde es … körperlich gar nicht gehen … « Una spürte, wie ihre Wangen vor Peinlichkeit glühten, und fuhr schnell fort: » Schließlich bin ich ein Mensch und du ein Einhorn. «
» Oh, es geht schon. Wir könnten uns nicht fortpflanzen, aber das Liebesspiel mit einem Menschen ist uns in dieser Gestalt grundsätzlich möglich. Es kommt nur selten vor. Menschen sind da sehr zurückhaltend. Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, Una. Nicht vor mir. «
Sie starrte ihn entsetzt an.
» Und vor den Kentauren? Meinst du, die … «
Sein Mundwinkel zuckte, doch es war kein Lachen darin.
» Sie mögen uns quälen und umbringen. Aber sie werden dich nicht … schänden. «
» Weißt du das so genau? «
» Wie denn, Una? Wie sollte das gehen, so wie sie gebaut sind? Abgesehen davon, hast du sie angeschaut? Nein? Es sind keine Hengste. «
» Es sind auch keine Stuten. «
Er nickte.
» Niemand weiß es genau, aber in den Legenden und Archiven wird immer nur von männlichen Kentauren berichtet. Jedoch sind sie nicht vollständig männlich. Sie müssen ein Leben ohne Liebe ertragen. «
Wallache? Es waren Wallache. Und sie waren offensichtlich nicht glücklich darüber. Vielleicht versuchten sie, das nun zu ändern. Una fiel ein, dass dumme Menschen in ihrer Welt die Hörner von Nashörnern und Narwalen zu Pulver zerstießen, um ihre Libido anzuregen. Hatten die Kentauren mit Kanuras Horn etwas Ähnliches vor?
Sie entschloss sich, Kanura dies nicht zu sagen.
» Wie kommen wir hier raus? « , fragte sie stattdessen.
» Ich weiß es nicht. Vielleicht gar nicht. «
» Wo sind wir überhaupt? «
» Es könnte Sto-Nuyamen sein. Ich kenne es ebenfalls nur aus Legenden, und es ist der Regierungssitz der Einhörner des Nordens. «
» Einhörner? Das ist ja wunderbar! Können die uns nicht helfen? «
» Nein, Una, sie sind unsere Feinde aus einem alten Krieg. Die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet sie mir helfen, ist nicht groß. Und zu Menschen haben – beziehungsweise hatten sie ein sehr … « , er schluckte und suchte nach Worten, » … sagen wir mal ›nutzen-orientiertes‹ Verhältnis. Wie ich hast auch du nichts Gutes von ihnen zu erwarten. «
Una riss die Augen weit auf.
» Und ich dachte einmal, Einhörner wären immer friedliebend, gütig und nett! «
» Una, niemand im ganzen Universum ist ausschließlich friedliebend, gütig und nett. Es zu sein, erfordert immer die Entscheidung, es sein zu wollen. «
Inzwischen knieten sie ganz nah beieinander und hielten sich an der Hand. Una blickte den Mann, der ein Einhorn war, unverwandt an. Er war immer noch sehr attraktiv, trotz der Blessuren. Doch jetzt umgab ihn auch etwas beinahe Zerbrechliches, eine Aura von verzweifelter Ernsthaftigkeit.
» Scheiße! « , murmelte sie. » Und ich hatte gestern noch gedacht, die größte Katastrophe in meinem Leben wäre, dass ein Typ mit mir Schluss gemacht hat, weil ich ihm nicht hübsch genug war. «
Er drückte ihre Hand. » Hattest du dich mit einem Blinden eingelassen? «
Kapitel 37
Auch Esteron hatte sich gewandelt, um Irene zu zeigen, wer er war.
» Mein Gott, seid ihr schön! « , hatte sie gemurmelt und war andächtig und mit weichen Knien auf die Bank vor dem Cottage gesunken. Eine Weile hatte sie die beiden Einhörner, die ruhig vor ihr standen, nur betrachtet. Perjanu war eher klein, aber Esteron war gewaltig.
Sie streckte die Hand nach Esteron aus, als wollte sie ihn streicheln, wie man es mit einem Pferd tut. Ganz schnell zog sie die Hand wieder zurück. Dies waren keine Pferde. Fremde Männer würde sie schließlich auch nicht einfach streicheln.
Esteron lachte. Sie konnte sein amüsiertes Glucksen direkt in ihrem Kopf hören.
» Du darfst mich anfassen, wenn du möchtest, Irene. Vielleicht ist es leichter für dich, das alles zu glauben, wenn du uns berührst. «
Zögernd streckte sie die Hand
Weitere Kostenlose Bücher