Die Quellen Des Bösen
Oberkörper leicht nach vorne, die Vorsicht wich der Neugier. »Wieso?«
»Du willst wissen, ob ich eine Gefahr für die Gemeinschaft in Ammtára bin, die man beseitigen muss«, brachte die Frau es auf den Punkt.
Pashtak girrte verlegen. »Und? Bist du es?«
Zu seinem Entsetzen nickte sie bedächtig. »Ich bringe den ständigen Tod unter die Leute, wenn ich nicht genügend Leichen in den Friedhöfen finde. Gelegentlich muss ich töten, um zu überleben, wie alle anderen Wesen auch.« Sie lachte dunkel. »Dummerweise brauche ich Menschenfleisch. Mit einem Hasen bin ich nicht zufrieden zu stellen.«
»Es gibt keinen Ersatz? Was passiert, wenn du nicht … jagst?«
Lakastre hob die Hand ins Licht. Ihre Haut zeigte Falten und dunkle Flecken, an mehreren offenen Stellen sickerte Wasser hervor. »Ich zerfalle. Ich verwese, wie es ein Toter nun einmal tut.«
»Du bist tot und lebst dennoch?« Grauen erfasste den Inquisitor. »Du hast ein Kind zur Welt gebracht. Wie geht das? Es gibt niemanden, der so etwas kann.« Er witterte sorgsam, um irgendeinen Hinweis auf weitere Gerüche festzustellen. »Bist du so etwas wie ein Gott?«
Lakastre hustete, ihr Atem ging pfeifend. »Die Göttin der Fäule? Nein, ich bin kein Gott. Ich frevelte jedoch einst gegen einen Gott, sagt man, und dies sei seine Strafe. Aber mir wurde der Wunsch von ihm gewährt, nach meinem Tod zurückzukehren. Der Handel hatte auch einen Nachteil, wie du siehst.«
»Ich wollte nicht aus dem Grab zurückkehren«, schüttelte sich Pashtak. »Welchen Grund hattest du?«
Die Frau schwieg lange. »Die Hoffnung.« Sie legte eine Hand an ihre Schläfe. »Die Hoffnung, etwas verhindern zu können. Die Hoffnung, etwas zurückgewinnen zu können. Es gelang mir in beiden Fällen nicht.«
Der Inquisitor wurde nicht so recht schlau aus dem Gehörten.
Sie löste etwas von ihrem Hals und warf es auf den Tisch, ein knackendes Geräusch erklang. Pashtak erkannte ein kleines Amulett mit seltsamen Schriftzeichen, das genau in der Mitte auseinander gebrochen war. »Meine Zuversicht hat ein Ende.«
»Was bedeutet das alles?«, fragte er leise.
»Ich habe einst geliebt, Pashtak.« Ihr Gesicht wandte sich ihm zu. »Und ich liebe immer noch. Doch es geschahen Dinge, die keiner von uns beiden beeinflussen konnte. Die alles zwischen uns zerstörten.« Ihre Stimme zitterte. »Ich musste ihn gehen lassen, er ließ mich gehen, obwohl er in seinem tiefsten Innern wusste, dass er seine wahren Gefühle verriet.«
»Du hast ausgeharrt, weil er eines Tages zurückkehren könnte?«
»Das Herz macht uns zu Narren, Pashtak«, seufzte sie. »Wir verschwenden Zeit damit, auf es zu hören, weil es uns Dinge in den Verstand eingibt, an die wir gewöhnlich niemals glauben würden. Aber nun kann selbst das Herz meinen Geist nicht mehr beeinflussen.«
»Hat er eine andere gefunden?«
Lakastre schloss die Augen, die gelben Punkte erloschen. »Er ist tot. Er wird nicht zurückkehren. Also gehe ich zu ihm.«
Beide hörten, wie der Schlüssel hastig ins Schloss gesteckt wurde und Estra voller Sorge hereinstürmte. »Mutter!«, rief sie.
»Es ist in Ordnung«, beruhigte sie Pashtak. »Wir bereden die Punkte der Versammlung.« Lakastre nickte ihrer Tochter zu.
Zögernd wandte sie sich zum Ausgang. »Dann möchte ich nicht weiter stören. Ruft mich, falls Ihr mich benötigen solltet, Inquisitor.« Die junge Frau ging wieder, wenn auch deutlich misstrauisch.
»Sie hat dir geholfen, an das Fleisch der Toten zu kommen?«, schätzte Pashtak.
»Estra kennt viele meiner Geheimnisse und unterstützte mich, wenn der Hunger zu groß wurde«, bestätigte sie indirekt Pashtaks Annahme. »Aber sie hat niemals getötet. Ich allein trage die Verantwortung für die Morde.« Sie erahnte die nächste Frage. »Nein«, lächelte sie schwach, »sie benötigt kein Menschenfleisch. Sie ist ein ganz normales Mädchen, das ihren Vater niemals kennen lernen wird.«
»Wieso? Ich dachte …« Die Augen des Inquisitors wurden groß. »Sie ist die Tochter deiner großen Liebe!«
»Sagt dir der Name ›Nerestro von Kuraschka‹ etwas?«, wollte sie wissen, musste husten und hielt sich den Hals.
»Der Großmeister der Hohen Schwerter?« Pashtak pfiff beinahe vor Aufregung. »Estra ist seine Tochter?«
Lakastre griff in die Schublade und nahm einen Brief hervor, den sie ihm herüberschob. »Ich habe verfügt, dass du zusammen mit deiner Familie in dieses Haus einziehen kannst.« Sie richtete ihre Augen bittend auf
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