Die Quellen Des Bösen
überzeugen versuchen, Euch schneller als von ihm vorgesehen zurückzuholen, damit wir zusammen Ulldart und alles, was noch kommen möge, regieren können.
Haltet aus, liebste Mutter. Es wird nicht ewig dauern.
Euere Euch liebende und verehrende
Zvatochna«
Mit gemischten Gefühlen starrte Aljascha auf die Linien.
Auf der einen Seite konnte sie die Einwände nachvollziehen; auf der anderen aber hatte sie fest damit gerechnet, nun an den Hof zurückkehren zu können.
Enttäuscht sank sie in dem Stuhl zurück und schaute ins Nirgendwo, während ihr Geist nach einer anderen Lösungsmöglichkeit suchte.
Ich werde ihnen anbieten, in aller Heimlichkeit anzureisen und hier eine Doppelgängerin einzusetzen, beschloss sie. Dann wäre ich wenigstens in der Nähe der beiden und könnte mich besser einbringen.
Voller Elan schrieb sie ein paar hastige Zeilen, in denen sie ihren Kindern den Vorschlag unterbreitete. Mit einer energischen Geste siegelte sie den Brief mit dem Wappen Kostromos, obwohl ihr Gatte ihr den Titel »Vasruca« aberkannt hatte.
Es klopfte an der Tür, und ihre stumme, taube Haushälterin Natalja trat ein, um ihr den nachmittäglichen Tee zu servieren.
Die Konversation mit ihr gestaltete sich als äußerst schwierig. Mittels knapper Zeichen gelang es der einstigen Kabcara, ihre Wünsche verständlich zu machen. Mehr als Waschen, Kochen und Servieren war dem Mädchen nicht möglich, und Aljascha zeigte sich niemals mit dem Geleisteten zufrieden.
Aber das hat nun ein Ende . Sie beobachtete das ihr verhasste Mädchen, wie es den heißen Tee eingoss, die Schale mit dem leichten Gebäck auf den Tisch stellte und sich nach einer knappen Verbeugung wieder zurückziehen wollte.
Die einst mächtigste Frau Ulldarts aber drückte den Tisch mit ihrem Fuß ein wenig zur Seite, sodass die Tasse auf den Teppich fiel und zerschellte.
Natalja sah die Bewegung aus den Augenwinkeln und kehrte zurück, um die Scherben einzusammeln und den Tee mit ihrer Schürze aufzusaugen.
»Ich konnte dich noch nie leiden«, sagte Aljascha zu ihr und stand auf, umrundete sie und stellte sich in ihren Rücken. »Du bist mir zu hübsch, zu makellos für ein Bauernweib. Und du starrst unentwegt auf meine Narbe, du freches Gör. Bestimmt freust du dich darüber. Hast du eine Vorstellung, was ich hier erdulden muss? Während meine Kinder am Hof ins Saus und Braus leben, sitze ich vor aller Welt erniedrigt und auf immer entstellt in dieser Einöde, umgeben von einfachen Wänden und Einsamkeit.« Kalte Wut stieg bei den gedanklichen Bildern von den großzügigen Sälen, Theatern und anderen prachtvollen Orten Ulsars in ihr auf. »Und mein großzügiger Sohn gewährt mir in seiner überragenden Gnade stolze einhundert Waslec mehr als sein Vater.« Sie verlor die Beherrschung und trat nach der Dienstmagd.
Mit einem Schmerzenslaut fuhr Natalja zusammen und wandte sich erschrocken zu der ehemaligen Kabcara um, da sie sich keines Fehlers bewusst war.
Aljascha beugte sich mit funkelnden Augen herab. »Mir verdankt der Junge, dass er überhaupt auf die Welt gekommen ist und sich in der Macht aalen kann, die mir gebührt. Mir, verstehst du?! Ich werde wie ein Sturmwind über Ulsar hereinbrechen!«
Die junge Frau raffte die Scherben an sich, sprang auf und wollte zur Tür laufen, um dem jähzornigen Anfall zu entkommen.
Aljascha fauchte wie eine Furie, schlug dem vorbeihastenden Mädchen kraftvoll ins Gesicht, packte es an den Haaren und schleuderte es mit Schwung nach draußen.
Natalja stolperte, verlor das Gleichgewicht und fiel kopfüber die Stufen hinunter. Das zersprungene Porzellan klirrte auf dem Steinboden.
»Verschwinde! Du bist entlassen!«, rief Aljascha vom oberen Treppenabsatz aus der leblosen Gestalt zu.
Die Magd rührte sich nicht.
»Tu nicht so, als wärest du verletzt.« Vorsichtig ging sie die Stufen hinab und drehte das Mädchen mit dem Fuß auf den Rücken. Die halboffenen Augen wirkten gläsern.
Ohne sichtbare Regung machte Aljascha einen Schritt über die Tote hinweg und öffnete die Haustür. Sogleich wandte sich die Wache um.
»Sage dem Gouverneur, ich benötige ein neues Dienstmädchen. Das hier ist verunglückt. Aber dieses Mal möchte ich eines, das sprechen, lesen und schreiben kann.«
Kontinent Ulldart, Großreich Tarpol,
vier Warst nördlich der Hauptstadt Ulsar,
Frühsommer 459 n. S.
G ovan beobachtete die Schmiede vom Fenster des Rathauses aus, wie sie in den Gerüsten herumkletterten und die
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