Die Quellen Des Bösen
dem Platz etwas zu, und alle schauten zu Nesreca und dem Tadc auf. Die Menge fiel auf die Knie und wünschte Govan ein langes Leben.
»Seht sie Euch an, Mortva. Sie preisen meinen Namen, als stünde mein Vater auf dem Balkon. Und sie werden schon bald zu Tausenden für mich sterben.« Mit einer äußerst herablassenden Bewegung forderte der Thronfolger seine Untertanen auf, sich zu erheben. »Was wäre ein Herrscher ohne Volk? Man braucht es, um mit ihm ans Ziel seiner Wünsche zu gelangen.« Er winkte den Leuten kurz zu und verschwand dann schnell im Saal.
»Ist das die richtige Einstellung?«, merkte der Konsultant provozierend an und schloss die Fenster. »Euer Vater hatte die Maßgabe, für das Volk da zu sein.« Gespannt wartete er auf die Erwiderung.
Der Tadc blieb grüblerisch vor dem in Öl gebannten Konterfei seines Erzeugers stehen. »Der Pöbel ist für mich da«, antwortete er nach einer Weile. »Es wäre das erste Land, in dem die Rollen zwischen Herrschenden und Beherrschten umgedreht wären. Wenn sie tun, was ich von ihnen verlange, wird es ihr Schaden nicht sein, und beide Seiten sind glücklich.« Er tippte gegen die Leinwand. »Es muss aber nicht zwingend sein. Im Gegensatz zu diesem Bardri¢ reicht es mir aus, mich notfalls allein glücklich zu fühlen.« Govan schritt tatkräftig zum Ausgang, wo die Leibwachen warteten. »Vorwärts, Mortva. Ich will sehen, wie die Arbeiten im Steinbruch vorangehen. Je eher wir die Leiche meines Vaters finden und nach allen Regeln der religiösen Kunst verbrennen, desto besser.«
Der Konsultant warf einen letzten Blick auf die wachsende Statue Lodriks und zuckte bedauernd mit den Achseln, ehe er seinem Herrn hinaus zur Kutsche folgte.
Zu Hunderten schufteten Menschen in den Trümmern des eingestürzten Steinbruchs und suchten nach dem toten Körper des Herrschers, der ihnen Wohlstand und Sicherheit gebracht hatte.
Schon seit zwei Wochen zerklopften sie riesige Felsbrocken zu Geröll, um die Leiche von Lodrik zu bergen und sie einer Beerdigung zuzuführen, wie es der bisher größte Bardri¢ der Geschichte verdiente.
Doch noch suchten sie vergebens, nicht der kleinste Hinweis war zu finden.
Govan stieg auf einer Erhebung aus der Kutsche und schritt an die Bruchkante, um einen Blick auf die Menschen zu werfen, die von hier oben wie geschäftige Insekten wirkten. Mehr bedeuteten sie dem Tadc auch nicht.
»Wurden die Steine nach Ulsar transportiert, um die Verschönerungen an der Kathedrale voranzubringen?«, erkundigte er sich bei dem herbeieilenden Vorarbeiter, der die Grabungen organisierte.
»Wie Ihr befohlen hattet, hoheitlicher Tadc.« Der Mann verneigte sich tief. Der junge Mann verscheuchte den Untergebenen mit einer Geste.
»So hatte der Tod meines Vaters mehr als nur einen Vorteil«, sagte er süffisant zu Nesreca. »Ich komme schneller an das Baumaterial für meine neue Stadt.«
Plötzlich entstand helle Aufregung; die Menschen strömten zusammen, um nach dem Rechten zu sehen.
Govan und sein Konsultant machten sich neugierig auf den Weg und kamen rechtzeitig genug an, um zu sehen, wie Teile des großen Prunkzeltes sowie der zersplitterte Helm eines Soldaten unter einem der Brocken hervorgeholt wurden. Es roch durchdringend nach Verwesung. Anscheinend kamen die Ulsarer der Unglücksstätte näher.
Die Menschen fielen vor dem Thronfolger auf die Knie, murmelten Segenswünsche und Beileidsbekundungen.
»Meinen Dank, Volk«, meinte Govan recht oberflächlich und presste sich ein parfümiertes Taschentuch vor Mund und Nase, um den Fäulnisgestank nicht ertragen zu müssen. »Bald haben wir diejenigen, die meinen Vater feige und hinterrücks ermordeten, am Boden und werden sie zertreten. Ich und alle Untertanen verlangen nach Rache für diese Tat«, versprach er ihnen. »Sucht meinen Vater, und danach tragen wir seinen Namen auf unseren Klingen bis ins Herz von Kensustria, um den Mördern zu zeigen, was die Feindschaft von Tarpol bedeutet.«
Er wandte sich ab und kehrte zur Kutsche zurück, während die Menschen Hacke, Pickel und Schaufel um so inbrünstiger einsetzten.
Govan ließ sich in die Polster sinken und hieß einen Diener, ihm etwas zu trinken zu bringen. Genüsslich nahm er einen Schluck und betrachtete den verwahrlosten Steinbruch.
Unfassbar, welche Kräfte hier gewütet haben . Mit denselben Fingern, die eben den wertvollen Kristallbecher hielten, ohne ihn zu zerstören, konnte er Sturmfluten auslösen und Berge zum Einsturz bringen.
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