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Die Quellen Des Bösen

Die Quellen Des Bösen

Titel: Die Quellen Des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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hier?
    Es half nichts, sie benötigte jemanden, der ihr alles erklärte. Und zwar schleunigst.
    Norina betrachtete sich, als sie sich einen Morgenmantel überwarf, im Spiegel. Wenigstens bin ich keine Greisin geworden.
    Sie riss die Tür zu ihrem Zimmer auf und ging durch das unbekannte Gebäude.
    Weil sie niemanden fand, trat sie auf die Straße und hörte Gespräche, die aus dem tempelähnlichen Bau gegenüber stammten. Wenn sie sich nicht sehr täuschte, meinte sie, bekannte Stimmen zu vernehmen. Einbildung oder nicht, sie brauchte Gewissheit.
    Die Brojakin zurrte den Morgenmantel zusammen und schritt entschlossen auf den Eingang zu.
    »Größte Aufmerksamkeit, bitte sehr. Allez hopp«, machte Fiorell und warf das nächste Glas in die Höhe, das mehrfach um die eigene Achse rotierte und sich auf das oberste setzte. Der Turm, bestehend aus inzwischen acht der zerbrechlichen Gefäße, geriet ins Wanken.
    Der Hofnarr vollführte vorsichtige Ausgleichbewegungen, und somit blieb die Konstruktion, deren Sockel auf seiner Stirn ruhte, intakt. Er streckte die Arme waagrecht vom Körper weg.
    »Darf ich um ein bisschen Beifall bitten? Ich mache das hier nicht zum Vergnügen.«
    Er schielte nach dem schweigenden Publikum. Seltsamerweise glotzten ihn die Freunde nur an.
    »Was denn, ist das etwa nicht spektakulär genug?«, beschwerte er sich. »Na, schön. Werft mir ein paar Kandisbrocken zu. Irgendetwas. Ich jongliere damit auch noch, wenn es sein muss.«
    Fatja tastete abwesend nach der Schale mit Kandis, ohne den Blick vom Possenreißer zu nehmen, und kippte ihm den Inhalt vor die Füße.
    »Bravo, Ausgeburt der Gescheitheit. Wie soll ich denn da rankommen?« Fiorell ging vorsichtig in die Hocke und versuchte, mehrere Stückchen aufzuklauben. Was ihm auch gelang. Bald wirbelten sechs der süßen Brocken durch die Luft. »Na, was jetzt? Applaus, Volk!«
    Das Klatschen ertönte hinter ihm. »Sehr gut!«, lobte eine Frau. »Ihr habt nichts verlernt, Fiorell.«
    »Wenigstens eine, die meine Kunst würdigt«, freute er sich. Dann erkannte er die Stimme wieder. »Miklanowo?«
    Ohne nachzudenken, drehte er sich um und richtete den Blick geradeaus, in Richtung der Besucherin. Die Gläser stürzten um ihn herum zu Boden, die Kandisstücke fielen wie brauner Hagel hinterher. Genauso wenig geistreich wie die anderen starrte er auf Norina.
    »Ich brauche dringend ein paar Erklärungen.« Die Brojakin kam die Stufen hinunter. »Wo sind wir?«
    »Ulldrael dem Gerechten sei Dank«, raunte Matuc, der als Erster die Fassung wieder fand. »Sie ist gesund!«
    Und wie einige Stunden zuvor am Kai, lagen sich Minuten darauf die Menschen in den Armen, konnten das Glück nicht fassen, mit dem sie gesegnet worden waren. Waljakov, Stoiko und Torben schämten sich ihrer Tränen nicht.
    Als Norina vor ihren Sohn Lorin trat, ihn lange mit feuchten Augen betrachtete und voller Liebe in die Arme schloss, reichte Fiorell seinem schluchzenden Herrn Perdór hilfreich ein Taschentuch. Natürlich wiederum ein benutztes.
    Niemand bemerkte in dem Freudentaumel, dass Lodrik im Schatten eines Torbogens stand und alles beobachtete.
    Ohne auf sich aufmerksam zu machen, verließ er den Tempel.
    Anstatt sich am folgenden Tag mit der palestanischen Delegation zu treffen, verbrachten die Freunde die Zeit damit, Norina die Geschehnisse der letzten Jahre, die an ihr vorübergegangen waren, schonend zu vermitteln. Lodrik, der Auslöser der Gesundung, erschien vorerst nicht.
    Norina unterhielt sich lange mit ihrem erwachsenen Sohn, auch Stoiko und Waljakov, die treuen Gefährten aus guten und schlechten Tagen, erhielten den Dank und die Aufmerksamkeit, die ihnen gebührte.
    Erst einen Tag nach der vereinbarten Verabredung trafen Perdór, Moolpár und Fiorell mit der »Delegation« zusammen, die aus einem üppig dekorierten Palestaner namens Fraffito Tezza bestand.
    Schnallenschuhe, Weißhaarperücke, aufdringliches Parfüm, ein aufwändig gearbeiteter Brokatrock mit langen Schößen, elegante Beinkleider und ein Gehstab ­ der Commodore war ein Palestaner durch und durch.
    Es erfolgte die Begrüßungszeremonie mit dem üblichen Hofknicks und dem Wirbeln des Taschentuchs. Tezza kannte die Gewohnheiten des ilfaritischen Königs sehr genau und hatte kiloweise Konfekt als Geschenk dabei. Konfekt aus Ilfaris.
    »Ihr bringt mir etwas als Gabe, was mir ohnehin gebührt«, bedankte sich Perdór ungnädig. »Was hat ein Dieb zu erwarten, wenn er die Beute zurückbringt?«,

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